Kategorien
Akualisierungen des Buches

Situation in Japan und anderswo

Dieter Kaufmann:

In Japan sollen 2 AKW hochgefahren werden. Vor Fukuschima waren dort 54 AKW in Betrieb. 42 AKW müssen noch „geprüft“ werden. Auch bei den beiden Gedenkfeiern zu den Atombombenabwürfen am 6. Und 8.08.2015 kam es zu Anti-AKW-Protesten, was ein gesellschaftlicher Verstoß in Japan bedeutet.

Video: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-107359.html

Vietnam möchte 14 AKW bauen und hat einen Rahmenvertrag mit Russland abgeschlossen.
https://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/e-bulletin/rahmenvertrag-zwischen-russland-und-vietnam

In den USA sind zwei neu geplante AKW plantechnisch endgültig zurückgegeben worden
https://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/e-bulletin/usa-rueckzug-des-callaway-2-col-antrages
https://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/e-bulletin/usa-calvert-cliffs-3-col-zurueckgezogen

Kategorien
Hintergründe Störfälle Unterschriftskampagnen gegen Atomenergie

FUKUSHIMA: Wir akzeptieren die Räumung der Zelte nicht!

aktueller Stand, 4.3.2015

Lieber Karl -W Koch,
vielen Dank fuer deine Unterstuzung.
Das Landgericht Tokyo hat uns das Urteil mit der provisorische Vollstreckung gesprochen: den Zeltplatz verlassen, Benutzungsgebuehr des Grundstücks (ca. 11 Mill. Yen) sowie nach dem Empfang des Urteils bis zum Verlassen des Grundstuecks 21.000Yen/Tag sind zu bezahlen!
Die Behörden dürfen jetzt jeder Zeit zur Tat schreiten.
Wir werden trotzdem unsere Aktivitaeten weiter fuehren, aber wie? Das werden wir am 9.3. diskutieren.
So weit für heute.
Akiko Terasaki

—Weiterleitung—

Liebe Freundinnen und Freunde
heute habe ich von einer Freundin aus Tokyo die Nachricht bekommen, dass das Protestzelt vor dem Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) geräumt werden soll. Seit September 2011 – inzwischen also schon seit 1257 Tagen – ist das Zelt ein Ort des Protests und der Mahnung aber auch des Widerstands und der Vernetzung von Aktivist*innen.
Es ist ein gewaltfreier Akt des zivilen Ungehorsams, der von einer großen Anzahl von Bürgern & Bürgerinnen im Inland und Ausland unterstützt wird.

Hier zwei englische Text aus Japan: Flyer englisch und Zelt-Aktion
Das können wir zur Unterstützung tun:
1. Protestschreiben schicken an das Landgericht Tokyo (Tel. 81-3-3581-5411, Fax 81-3-3592-9461, Herrn Masatoshi Murakami) und das METI (Tel. 81-3-3501-1511) sowie
Unterstützungsschreiben an die Aktiven in Japan (E-mail: aki-trsk@outlook.jp).
2. Die Forderung „keine Räumung der Zelte“ in allen demokratischen Bewegungen verbreiten. Bitte macht mit!
3. Den gewaltlosen Widerstand und zivilen Ungehorsam unterstützen und darüber informieren.
Viele Grüße
Irmhild (Email: heila-beyme@antiatomberlin.de)
Der Zeltplatz vor dem Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) gilt als der Stützpunkt für Fukushima.

Wir akzeptieren die Räumung der Zelte nicht!

Die Durchsetzung der gerichtlichen “Entscheidung”, die am26.2. gefällt wird, ist nicht akzeptabel!

Das Landgericht Tokyo hat unsere Sonderbeschwerde (Ablehnung des Richters) gegen dasUrteil ignoriert und uns mitgeteilt, dass am 26.2. (Do.) das „Urteil“ gefällt wird. Dieses rücksichtslose Vorgehen bezüglich der Räumung der Zelte, entsprechend den Absichten derRegierung Abe und ohne jegliche Beweisaufnahme, dürfen wir nicht zulassen!

521 Tage sind vergangen seit sämtliche AKWs in Japan abgeschaltet wurden. Mit der Wiederinbetriebnahme der AKWs in Sendai (Präfektur Kagoshima) und Takahama (PräfekturFukui) kann noch nicht planmässig begonnen werden. Denn seit den Unfällen in den AKWsvon Fukushima verbreiten sich die Anti-AKW-Bewegungen im In- und Ausland und die öffentliche Meinung tendiert immer mehr zur Ablehnung der AKWs.

Die Abe-Regierung verbreitet im Ausland ständig Lügen: Die Probleme im AKWs Nr. 1 inFukushima sind keineswegs behoben. Radioaktivität tritt ständing aus. Schildrüsenkrebs bei Kindern wird abnorm häufig diagnostiziert (bisher 118 Fälle). In Fukushima werden Stimmen wie „Das ist nicht mehr auszuhalten!“ oder „Es ist unerträglich!“ immer lauter.

Wir dürfen die Räumung des Zeltplatzes vor dem Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie nicht billigen.

Die Justiz darf der Haltung der Abe-Regierung, d.h. die AKW-Wiederinbetriebnahme und die Politik des Exports von AKWs, nicht folgen.

Das Landgericht Tokyo muss auf die Stimmen aus Fukushima hören!

Schickt der japanischen Regierung und der Justiz eure Proteststimmen!

Die Zelte vor dem Wirtschaftsministerium (METI) stehen auf dessen Grundstück nun schon 1257 Tage. Es ist ein Protest gegen AKWs, ein gewaltfreier Akt des zivilen Ungehorsams, was von einer großen Anzahl von Bügern/Bügerinnen im Inland und Ausland unterstützt wird.

Das Landgericht Tokyo soll die Debatte wieder eröffnen. Ein Urteil zur Räumung der Zelte soll nicht erzwungen werden! Die Gerichtsverhandlung soll wieder aufgenommen werden!

Bitte erhebt Eure Stimmen, aus Fukushima, aus ganz Japan und aus der ganzen Welt und protestiert gegen das japanische Wirtschaftsministerium!

Wendet Euch gegen die Durchsetzung der gerichtlichen Entscheidung und die Räumung der Zelte!

 

<Zeitplan am 26.2. 2015>

12:30 Zusammentreffen vor dem Zeltplatz.

13:30 Zusammentreffen vor dem Landgericht Tokyo

14:30 Gerichtsverhandlung (geplant)

15:30 Protestaktion vor dem Landgericht Tokyo

16:00-18:00 Berichterstattung(Auditorium, Sangiin-giin kaikan)

 

Unsere Bitte an alle:

Bitte schickt eure Proteste an das Landgericht Tokyo (Tel. 81-3-3581-5411,

Fax 81-3-3592-9461, Herrn Masatoshi Murakami)

und das METI (Tel. 81-3-3501-1511) sowie

Unterstützungsschreiben an uns (E-mail: aki-trsk@outlook.jp).

Wir bitten herzlich darum, an den Aktionen am 26.2. teilzunehmen.

Wir wollen unsere Forderung „keine Räumung der Zelte“ in allen demokratischen Bewegungen verbreiten. Bitte macht mit!

Wir wollen Unterdrückung nicht zulassen und gewaltlos und mit zivilem Ungehorsam dafür kämpfen. Wir bitten um Eure Unterstützung.

Weiterer Termin:

am 23. 2. Mo. 14:00 Pressekonferenz vor dem Zeltplatz.

Der Zeltplatz vor dem METI, am 18.2.2105

Kategorien
Termine

Termine 2014

ein erster Überblck findet sich HIER

Kategorien
Termine

Termine zum Fukushima-Jahrestag

(Quelle contratom)

https://www.facebook.com/FUKUSHIMA.MAHNT.ATOMANLAGEN.JETZT.ABSCHALTEN

——

Grohnde 9.3.:
https://www.grohnde-kampagne.de/
https://www.facebook.com/events/128548903973622/

Gronau 9.3.:
https://www.fukushima-jahrestag.de/

Gundremmingen 9.3.:
https://www.atommuell-lager.de/
https://www.facebook.com/events/402932993123095/

Neckarwestheim 9.3.:
https://www.endlichabschalten.de/
https://www.facebook.com/events/113152002197154/

Flughafen Frankfurt 9.3.:
https://www.rclausing.de/node/78

 

Freiburg 9.3.:

https://www.antiatomfreiburg.de/artikel/fukushima-jahrestag-freiburg

 

Paris 9.3.:
https://www.cattenom-non-merci.de/
https://www.facebook.com/events/120123048149060/?ref=2

Tihange 10.3.:
https://www.stop-tihange.org/
https://www.facebook.com/events/516845748355334/
Trier 11.3.:

https://www.antiatomnetz.blog.de/2013/02/12/zwei-jahre-fukushima-atomanlagen-abschalten-15525636/

https://www.facebook.com/events/335799763195840/

 

Mahnwachen Bundesweit 11.3.:

https://www.ausgestrahlt.de/mitmachen/fukushima2013/mahnwachen.html

Kategorien
Demonstration Hintergründe Störfälle

Forschungsreaktor in Mainz

Forschunsgreaktor TRIGA in Mainz
Forschunsgreaktor TRIGA in Mainz
==== endgültige Version ==== (Ergänzungen/Änderungen fett kursiv)

Dipl. Ing. (chem., FH) Karl-W. Koch

Bewertung des Betriebs-Risikos des Mainzer Forschungsreaktor TRIGA Mark II

Durch die Ereignisse in Fukushima und eine negative Sicherheitsbewertung des Berliner Forschungsreaktors in Wannsee[1] wurde der Blick auf die insgesamt drei Forschungsreaktoren in Deutschland gelenkt. Einer davon steht in Mainz: TRIGA Mark II auf dem Universitätsgelände und dient der Forschung, Weiterbildung und Lehre. Allerdings ist dieser Reaktor ca. 100 x kleiner als der  Reaktor in Berlin-Wannsee. Ziel ist die Neutronenproduktion für die Forschung. Der Reaktor hat einen “Lebenszeitkern”, d.h. niemand musste bisher oder muss künftig in den Reaktor, um Brennstäbe auszutauschen. Auch wird kein “Brennwechsel” im klassischen Sinn (bei dem es ggf. zu einer schlagartigen Freisetzung von radioaktiven Stoffen geben kann) durchgeführt.

Die Veröffentlichungen veranlassten den Autoren zur Zusammenstellungen eines Fragenkatalogs, welcher am 8. Mai 2012 vom zuständigen Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung beantwortet wurde. Im Auftrag der Landesregierung und im Rahmen der Überprüfung aller Kerntechnischen Anlagen in der Folge der Fukushima-Katastrophe wurde der Reaktor überprüft. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen stellt das Ministerium hier dar.

Der gesamten Bericht der Reaktorsicherheitskommission ist im Internet unter https://www.rskonline.de/downloads/epanlage1rsk447hp.pdf oder hier zu finden. Am 24.8.2012 fand auf Initiative des Autoren (und zeitgleich angefragt durch das Aktionsbündnis: „MONTAGSSPAZIERGANG MAINZ“) eine ausführliche Besichtigung mit Fragemöglichkeiten an die Abteilungsleiterin, den Präsidenten der Universität in Main und dem zuständigen Vertreter des Ministeriums statt (hier die Reaktion der Uni zum Besichtigungstermin).

Aus den Antworten des Ministeriums und den Ergebnissen der Fragerunde vor Ort ergibt sich für mich derzeit folgendes Bild:

  1. Die (geringe) Größe des TRIGA lässt das Ausschließen einer Katastrophe wie in Fukushima oder Tschernobyl begründet zu. Selbst bei einem GAU (im Sinne von größter anzunehmender – nicht mehr beherrschbarer – Unfall kann es weder zu einer radioaktiven Kettenreaktion noch zur Freisetzung Tschernobyl oder Fukushima vergleichbaren Radioaktivitätsmengen kommen. Der Reaktor ist (anders als wir leider in Fukushima sehen müssten) in der Tat selbststabilisierend.
  2. Dem im Rheingraben, also auch in Mainz, vorhandenen großen Erdbebenrisiko wird die Anlage nicht gerecht, sie ist def. NICHT erdbebensicher, eine Zerstörung ist im Fall eines Erdbebens oberhalb der Stärke 6 zu erwarten. Aufgrund der Bauart dürfte dabei allerdings nur wenig Radioaktivität freigesetzt werden.
  3. Die Anlage ist def. NICHT gegen Flugzeugabstürze gesichert, m.E. nicht einmal gegen Abstürze kleiner Maschinen. Das ist in sofern erwähnenswert, als allein in der Zeit der Besichtigung in zwei Stunden fünf (!!) Überflüge in niedrigster Höhe stattfanden.
  4. Im Fall eines Absturzes eines vollgetankten Großflugzeuges (Jumbo, eine der Hauptan-/abflugroute zu Frankfurt) ist durch den Treibstoffbrand m.E. mit Temperaturen von deutlich über 1.000 °C und damit mit einer Freisetzung des gesamten Urans (3,2 kg, davon ca. 10 % hochangereichert) und Plutoniums (12 g) zu rechnen. Dieser Fall hätte die Wirkung einer „schmutzigen Bombe“ und würde zumindest in der direkten Umgebung (Stadtteile von Mainz) eine, wahrscheinlich auch langfristige Evakuierung erforderlich machen.

Mittlerweile liegen dem Ministerium Erkenntnisse zur Erdbebensicherheit vor. Erdbebengefährdung sind Teil des Sicherheitsberichts, der zuletzt 1989 ergänzt wurde. Dieser Abschnitt muss daher dringend den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden. Bedenklich ist, dass die Aussagen zur Erdbebengefährdung bereits 1989 nicht dem damaligen Stand der Wissenschaft genügten und zu optimistisch ausgefallen waren. Die Folge davon ist, das es bis heute kein sogenanntes ingenieurseismologisches Gutachten und keine Erdbebenstation vor Ort am TRIGA-Standort gibt. Unweit des Universitätsgeländes verläuft eine kleinere, seismisch aktive Bruchzone, an der zuletzt am 23.12.2010 ein Erdbeben der Magnitude 3,4 stattfand.

Trotz der geringe Leistung gelten auch für diesen Reaktor die gleichen Stresstest-Regeln wie für alle anderen AKWs und Forschungsreaktoren, d.h. die Betreiber müssen entsprechende Unterlagen vorlegen wie die Sicherheitsberichte. Hier treten  behördlichen Defizite in RLP zutage (fachfremde Behördenmitarbeiter nahmen hier Stellung zur Erdbebensicherheit).

Die endgültigen Bewertungen bzgl. Sicherheit gegen Flugzeugabstürze stehen allerdings derzeit noch aus, sie sind für „Oktober“ angekündigt, erst dann wird eine endgültige Beurteilung möglich sein.

Die m.E. dringend erforderlichen Reaktionen sind daher:

  • Überprüfung der Anlage hinsichtlich Erdbebensicherheiten und ggf. deutliche Nachbesserungen;
  • Erlass eines sofortigen Überflugverbotes in niedriger Höhe (was m.E. ohnehin für das gesamte Unigelände sinnvoll wäre …)
  • Änderung der Flugrouten ab/nach Frankfurt International Airport
    – oder Ertüchtigung der Anlage gegen einen möglichen Absturz (m.E. nicht finanzierbar, da käme einem Neubau gleich)
    – oder endgültige Stilllegung.

Bis die Erdbebensicherheit geprüft und als gegeben bestätigt wurde, muss m.E. der Reaktor vorübergehend stillgelegt werden.

Mehren, den 21.9.2012, Karl-W. Koch

P.S.: Natürlich wurde der beeindruckende “Knalleffekt” (im wahrsten Sinn des Wortes), die blau-sichtbar werdende Tschernenkow-Strahlung der Neutronenfreisetzung auch vorgeführt, durchaus beeindruckend … das kurze Video dazu finden Sie hier.

P.S. 2: das Gutachten des TÜV Rheinland liegt mittlerweile hier vor.

 

 

 

Kategorien
Demonstration Hintergründe

Töten für Frankreichs Nuklearindustrie

Am 18.4.2011 starb Tavrez Sejkar, Atomgegner, in Jaitapur (Indien). Wie gewöhnlich ist den deutschen Medien ein solcher Vorfall allenfalls eine Kurzmeldung wert, wobei natürlich nichts weiter an Informationen verbreitet wird, als die Stellungnahme, wie sie dem Polizeibericht zu entnehmen ist. Angeblich hätte am Rande einer Demonstration ein gewaltbereiter und teilweise bewaffneter „Mob“ ein unterbesetztes Polizeirevier gestürmt, um es zu plündern und in Brand zu stecken. Selbstredend hat der getötete Atomgegner in diesen Meldungen keinen Namen. Beim Versuch den „Mob“ zu zerstreuen, sei nach dem vergeblichen Einsatz von Gummigeschossen und Tränengas in Notwehr scharf geschossen worden, so in etwa gleichlautend die Informationen im Morgenmagazin (ARD/ZDF) aber auch diversen deutschen Printmedien.

Kategorien
Hintergründe Störfälle

Nach Fukushima – 10 Kriterien für ein Ausstiegsszenario

Gastbeitrag von Dipl. Phys. Detlef zum Winkel und Thomas Kieseritzki, Rechtsanwalt, 10.4.2011

Angesichts der Katastrophe in Japan wird von einer Zäsur gesprochen, nach welcher der Betrieb von Atomanlagen nicht mehr so weiter gehen könne wie bisher. Der Sicherheitscheck, den die Bundesregierung durchführen lassen will und der auch auf europäischer Ebene, ebenso wie in den USA, angekündigt wurde, findet allerdings ohne die Kritiker der Atomenergie statt. So teilte EU-Kommissar Öttinger der Presse mit, er habe mit 120 Personen getagt, aus Unternehmen der Energieversorgung und des Kraftwerksbaus, und Einigkeit über eine Überprüfung erzielt. Diejenigen, die prüfen, und diejenigen, die geprüft werden sollen, sind also wieder einmal die Gleichen. Die Anderen allerdings, die den atomindustriellen Komplex bekämpfen, können ihre Unabhängigkeit geltend machen. Ihr Urteil und ihre Vorschläge sind umso wichtiger. Diese folgenden Thesen versuchen eine Vorlage zu machen, die der Verständigung unter denen dienen soll, die mit Ausstieg wirklich meinen, was der Begriff besagt.

Aus dem ersten Multi-GAU der Geschichte der Atomenergie werden 10 Schlussfolgerungen gezogen. Sie sind, mit Bedacht, so konkret gehalten wie möglich, weil die Lehren aus dem Unglück äußerst direkt sind. Wir wollen auch versuchen, europäischer als bisher zu denken. Obgleich der Bezug auf Europa meist mit leicht durchschaubarer Absicht eingebracht wird, ist es natürlich legitim zu fragen, was beispielsweise ein deutscher Atomausstieg bringt, wenn in Frankreich weiter 58 Atomreaktoren betrieben werden und in Tschechien Altmeiler, die vielleicht gerade noch einen Nutzen als Filmkulissen haben. Es sollen also Kriterien gefunden werden, die auch in Frankreich und anderswo mehrheitsfähig werden können und den Grundstein für ein Bündnis mit den französischen Atomkraftgegnern legen, die in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erfahren haben.

Welche Faktoren und Umstände haben zu dem japanischen Atomdisaster in besonderer Weise beigetragen, was hat sich für die Bevölkerung als besonders verhängnisvoll erwiesen? Auch für nicht naturwissenschaftlich ausgebildete Menschen ist einsichtig, dass es um den Ort, den Typ, die Anzahl der Reaktoren, um Kühltürme, die Gebäudekonstruktion, das Alter der Anlagen, um den verwendeten Brennstoff, um dessen Zwischenlagerung, den Betrieb und um die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit geht.

Im Einzelnen:

1. Ort. Atomanlagen dürfen nicht in Gegenden betrieben werden, die von schweren Naturerschütterungen, Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüchen oder Stürmen bedroht sind. Hier sind geologische Gutachten erforderlich, aber auch ohne diese ist klar, dass Portugal, Mittelitalien, der Balkan, Griechenland und weite Teile der Türkei (die hier genannt werden muss, auch wenn sie nicht zur EU gehört) als Standorte ausscheiden. Ebenso Sizilien und Island wegen der Gefahr von Vulkanausbrüchen. Wichtig ist zu begreifen, dass es hierbei nicht nur um AKWs geht, sondern um Atomanlagen aller Art, also auch um Lagerstätten für Atommüll. Salzbergwerke mit der erwiesenen Gefahr, dass sie mit Wasser zulaufen, scheiden als Deponien aus. Dies meint die endgültige Verabschiedung von den Plänen für Gorleben oder besser gesagt: gegen Gorleben.

2. Typ. Fukushima markiert das Ende einer Reaktorlinie. Der Siedewasserreaktor bietet nicht jene inhärente Sicherheit, die man von Atomkraftwerken verlangen muss, die auch von ihren Betreibern oftmals versprochen worden ist, die sich aber jetzt als Schimäre erwiesen hat. Sein einfach ausgelegtes Kühlsystem gibt im Schadensfall enorme Strahlenmengen an die Umwelt ab. Die Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente liegen außerhalb eines Containements. Die Möglichkeiten einer Schadensbegrenzung im Falle eines GAU sind gering. Ebenso wie nach Tschernobyl graphitmoderierte Reaktoren (die es nicht nur in der Sowjetunion gegeben hat) weitestgehend außer Betrieb genommen worden sind, so sind jetzt alle Siedewasserreaktoren stillzulegen. Das sind in Deutschland 6 Reaktoren: Brunsbüttel, Krümmel, Isar 1, Philippsburg 1, Gundremmingen B und C. Frankreich hat keine Siedewasserreaktoren.

3. Anzahl der Reaktoren. Vier oder wie im Fall von Fukushima sogar sechs Reaktoren in einem AKW können im Notfall nicht mehr beherrscht werden. Für solche Anlagen gibt es in der Praxis kein Krisenmanagement. Fehler der Betreiber sind vorprogrammiert, und sie sind natürlich auch gemacht worden. Ein GAU in einem Reaktor ist wahrlich schlimm genug. Ein weiterer Multi-GAU muss ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass nicht mehr als zwei Reaktoren pro Kraftwerk vorhanden sein dürfen. Zwei Reaktoren darf es nur noch dann geben, wenn sie baugleich sind. In Frankreich laufen mehrere AKWs mit 4 bis 6 Reaktoren. Ca. 20 französische Reaktoren müssen nach diesem Kriterium stillgelegt werden.

4. Kühltürme. In Fukushima ist eine bauliche Besonderheit auf den Bildern von der Anlage leicht zu erkennen, aber in den Berichten und Reportagen wird sie nicht erwähnt. Dort fehlen Kühltürme. Interessanterweise ist dies häufig an küstennahen Standorten der Fall. Wäre das AKW mit Kühltürmen ausgestattet gewesen, so hätte nicht – zwei Wochen zu spät – Süßwasser per Schiff aus den USA herangeschafft werden müssen. Die Chance, eine Kernschmelze im Ansatz zu verhindern, wäre höher gewesen. Bei AKWs mit Druckwasserreaktoren müssen mehrere Kühltürme vorhanden sein, die immer ein großes Wasserreservoir enthalten müssen. Mit ihrer Hilfe ist ein zusätzliches, rein mechanisches Notkühlsystem zu implementieren, das den Reaktorkern auch beim kompletten Ausfall jeglicher Stromversorgung noch tagelang kühlen kann. Diese Anforderung wird nicht erfüllt von den Druckwasserreaktoren Brokdorf (kein Kühlturm) sowie Neckarwestheim 1 und 2 (zu kleine Kühltürme).

5. Gebäude. Auch an das sog. äußere Containement, also an die Konstruktion des Reaktorgebäudes, sind definierte Mindestanforderungen zu stellen. Hier geht es nicht nur darum, gegen äußere Gewalteinwirkungen Vorsorge zu treffen, z.B. gegen einen Flugzeugabsturz. Es geht auch darum, dass das Reaktorgebäude mit entsprechenden Wandstärken und einem Kuppeldach versehen ist, damit es im Falle eines GAU seine Rückhaltefunktion erfüllt und als weitere Barriere gegen die Freisetzung von Radioaktivität dient. Anders als in Fukushima muss das Reaktorgebäude Knallgasexplosionen standhalten. Gleich hohe Maßstäbe sind an die Unterbringung der verbrauchten Brennelemente anzulegen.

6. Alter. Atomkraftwerke kann man mit noch so vielen Nachrüstungen nicht beliebig lang betreiben. Nicht nur wegen der Schlampereien von Tepco, sondern auch wegen des schlichten Alters der Anlage, der Gebäude, der Containements, der Rohre und Ventile, der Baustoffe, der Steuerungen, der Konstruktion, der Sicherheitssysteme musste das Werk dem Erdbeben und dem Tsunami zum Opfer fallen. Der Reaktor 1 in Fukushima ist 40 Jahre alt. Die Reaktoren 2, 3 und 4 sind nur 3 Jahre jünger. Das ist zuviel. Atomreaktoren wurden ursprünglich für eine Lebensdauer von ca. 25 Jahren konzipiert. Es zeigt sich jetzt, welches Gefahrenpotential die Altreaktoren und Auslaufmodelle bergen. Statt einer Verlängerung ist eine Laufzeitverkürzung geboten. Daher müssen außer den schon genannten AKWs in Deutschland die Atomkraftwerke Unterweser und Biblis (A und B) stillgelegt werden.

7. Brennstoff. Als grausamer Fehler erweist sich, dass in Reaktor 3 von Fukushima MOX-Elemente eingesetzt wurden, die neben Uran auch Plutonium als Spaltstoff enthalten. Dies ist in den meisten deutschen AKWs ebenso der Fall und muss sofort unterbunden werden. Man möge auch einen Moment innehalten und überlegen, was passiert wäre, wenn in Fukushima Hochtemperaturreaktoren oder Schnelle Brüter gestanden hätten. Dann erkennt man, warum es für Brutreaktoren und für die Plutoniumwirtschaft keine Kompromisse und keinen Verhandlungsspielraum geben darf. Es kann auch nicht mehr geduldet werden, dass die Nuklearunternehmen versuchen, diese hochriskanten Technologien ins Ausland zu exportieren.

8. Zwischenlager. Die Anwesenheit verbrauchter Brennelemente in sog. Abklingbecken hat die Situation in Fukushima verschlimmert und die Folgen vervielfacht. Sie enthalten ein höheres Strahlenpotenzial, als es in den Reaktorkernen vorhanden ist. Auch der Reaktor 4 des AKW Fukushima, der zum Zeitpunkt des Erdbebens gar nicht aktiv war, geriet zum gefährlichen Krisenherd. Abklingbecken müssen außerhalb der Reaktoren in eigenen Gebäuden untergebracht werden, an welche nicht die gleichen, aber gleich hohe Sicherheitsanforderungen zu richten sind. Ähnliche Aufmerksamkeit und Anforderungen müssen den Zwischenlagern von Castor-Behältern an den Atomkraftwerken gelten; letztere könnten allerdings in den Gebäuden von stillgelegten Reaktoren untergebracht werden. Das meint, dass wir die Stillegung alter Reaktoren auch deswegen brauchen, um das Problem der Zwischenlagerung anders zu lösen – und zwar unverzüglich. Es meint auch, dass die Arbeitsplätze in stillgelegten Reaktoren ziemlich sicher sind, wobei zu bezweifeln ist, ob dies wirklich ein Vorteil für die Beschäftigten ist.

9. Betrieb. Nach dem 11. März wurden schier unglaubliche Versäumnisse und Fehler des Betreibers Tokyo Electric Power Company bekannt. Es ist evident, dass dieses Unternehmen den gesetzlichen Anforderungen, welche an die Betreiber von Atomanlagen gestellt werden, sei es in Japan oder in Europa, nicht genügt. Nur noch Befürchtungen, das Krisenmanagement und die Katastrophenschutzmaßnahmen noch weiter zu erschweren, halten die japanische Regierung von der sofortigen Verstaatlichung Tepcos ab.

Die deutsche Erfahrung besagt, dass grundsätzlich alles, was jetzt über Tepco berichtet wird, bereits von Vattenfall bekannt ist. Das trifft ebenso auf die anderen Betreiber von Atomkraftwerken zu, auch in Frankreich. Wartungen werden mangelhaft durchgeführt; Zertifikate sind nicht zuverlässig, Auskünfte immer verharmlosend und immer unvollständig; Qualitätssicherung wird vernachlässigt, durch Outsourcing finden wichtige Arbeiten nur noch auf dem Papier statt. Subunternehmen, Leiharbeiter und unqualifizierte Hilfskräfte erledigen die gefährlichsten Arbeiten. Diese Anlagen werden nicht nach Maßstäben besonderer Sicherheit und Zuverlässigkeit betrieben, sondern nach den Regeln des Profits.

Es ist an der Zeit, Energieversorgung wieder als öffentliche Aufgabe zu erkennen. Die Energieversorger sind der Gesellschaft gegenüber in die Pflicht zu nehmen, nicht ihren Aktionären gegenüber. Die Besitz- und damit die Machtfrage muss gegen den Atomstaat und für das Gemeinwohl entschieden werden. Ungewollt hat die alte Landesregierung von Baden-Württemberg kurz vor ihrer Abwahl etwas Richtiges getan, indem sie einen der vier großen Energiekonzerne, EnBW, zurückgekauft hat, d.h. dass sie eine Anteilsmehrheit erworben hat. Ähnlich ist mit E.on und RWE zu verfahren. Vattenfall ist die Genehmigung zum Betrieb von Nuklearanlagen zu entziehen.

10. Rechtsstaatlichkeit. Ein einziger Fall ist in Deutschland zu verzeichnen, wo einem Unternehmen der Betrieb einer Atomanlage untersagt wurde. Das betraf 1988 (zeitweise) die Hanauer Brennelementeproduktion von NUKEM und (dauerhaft) deren Tochter Transnuklear. Ursache waren falsche Angaben über den Transport und die Lagerung von Fässern mit radioaktivem Inhalt. Vorausgegangen war ein dubioser Bestechungsskandal, in welchem sich Transnuklear Aufträge von Atomkraftwerken mit Provisionen erkauft hatte. Die Firma mit dem zweifelhaften Ruf existiert heute noch, sie ist im weltweiten Uran-Handel aktiv, und ansonsten vermarktet NUKEM, neben zwei anderen westlichen Unternehmen, Uran aus dem Atomwaffenprogramm der ehemaligen Sowjetunion. Diese erstaunliche Karriere ist ein Aufruf an die nukleare Gemeinde, es mit den gesetzlichen Vorschriften nicht so ernst zu nehmen. Kein Wunder, dass sie sich entsprechend gebärden. Der RWE-Chef Jürgen Großmann zieht mit einer Kampagne gegen das dreimonatige Moratorium der Bundesregierung zu Felde und droht erpresserisch mit Stromausfällen. Dass ein Atomgesetz tatsächlich einmal gegen ihre Interessen angewendet werden kann, liegt völlig außerhalb der Vorstellungswelt dieser Leute.

Hier gibt es einen Nachholbedarf. Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, Unterlassungen, Fehlinformationen und die Verweigerung von Verantwortung dürfen nicht mehr großzügig toleriert, sondern müssen angemessen, unter Berücksichtigung der möglichen Folgen solchen Handelns, bestraft werden, damit sich überhaupt ein Unrechtsbewusstsein einstellt. Von späteren Entschuldigungen hat niemand etwas.

Zusammengefasst dürfen die acht Reaktoren, die von der Bundesregierung zunächst für 3 Monate abgeschaltet wurden, nicht wieder ans Netz gehen. Vier weitere Reaktoren, Gundremmingen B und C, Neckarwestheim 2 und Brokdorf, sind sofort abzuschalten und stillzulegen. Die Erkundung des Gorlebener Salzstocks ist zu beenden, der Plan Gorleben ist aufzugeben. Vattenfall scheidet als AKW-Betreiber aus. E.on und RWE sind einer wirksamen öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Im Management der großen Energiekonzerne müssen umfangreiche Umbesetzungen stattfinden. Dann sehen wir weiter.

Thomas Kieseritzky und Detlef zum Winkel sind AKW-Gegner seit 35 Jahren.Detlef zum Winkel publiziert im Monatsmagazin konkret. Thomas Kieseritzky war früher Mitglied der Frankfurter Grünen.

(*** Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder***)

Kategorien
Störfalle

Denk ich an Frankreich …

von Simon Lissner, April 2011

… in der Nacht bin ich um den Schlaf gebracht. Bei vorherrschenden Westwinden wäre Deutschland im Falle eines Super GAU in einem französischen AKW unvermeidlich schwer in Mitleidenschaft gezogen, oder bildlich gesprochen, „… da wären wir alle futsch“.

Das von der Atomindustrie und ihrer Anhängerschaft in den europäischen Regierungen gebetsmühlenartig wiederholte Mantra vom „vertretbaren Restrisiko“ hingegen, hält sich nicht an Grenzen. Während seinerzeit nach dem Super GAU in Tschernobyl bald bekannt wurde, dass der Fall-Out in ganz Europa Folgen haben würde, behaupteten einzigartig, die französischen Behörden, die radioaktiven Wolken hätten vor den Grenzen Frankreichs halt gemacht. Sie machten sich freilich nicht die Mühe, dieses „Wunder“ zu erklären.

weiterlesen

Kategorien
Hintergründe Störfälle

Update 20.3.2011, 16:00 Uhr und Bewertung

Einschätzung der aktuellen Lage aufgrund der geg. Informationslage:

Bezeichnend für die japanische und weltweite (auch deutsche) Informationspolitik ist die folgende Meldung:

(Focus) 20.03.2011, 15:01 Uhr: Verantwortliche des Atomkomplexes Fukushima haben bekannt gegeben, dass in zwei von sechs Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente in dem Kernkraftwerk die Lage wieder unter Kontrolle sei. Die Temperatur in den Becken sei in einen normalen Bereich abgekühlt. In den anderen Blöcken wird an der Kühlung der Reaktoren und Abklingbecken weiter mit Hochdruck gearbeitet.

Übersetzen wir mal in verständliches Deutsch: 1. In allen sechs Reaktoren war die Lage in den Abklingbecken außer Kontrolle und in vier von sechs ist sie es immer noch!

Lage der Reaktoren:

Reaktor 1: Vermutlich kein Kühlmittel im Reaktordruckbehälter. Schmelze oder Explosion des Reaktorcontainments jederzeit möglich.

Reaktor 2: Das Gleiche, vermutlich Schäden am Reaktorcontainment.

Reaktor 3: Vermutlich Schäden am Reaktorcontainment. Gefahr einer erhöhten Freisetzung von Plutonium durch den Einsatz von MOX-Brennelementen.

Reaktor 4: War außer Betrieb, daher keine Brennstäbe mehr im Reaktorcontainment. Alle Brennelemente liegen im Abklingbecken. Dort ist offenbar zumindest teilweise eine Kenschmelze eingetreten, die Strahlenbelastung ist dadurch extrem hoch.

Da es in allen vier Reaktoren schwere Explosionen gegeben hat und offenbar alle vier bereits hochgradig verstrahlt sind, ist nicht zu erwarten, dass sich durch den Stromanschluss die Lage irgendwie bessert. Pumpen etc. dürfte weitgehend zerstört sein. Reparaturarbeiten vor Ort aufgrund der extrem hohen Strahlung wären unmöglich.

Reaktor 5 und 6: Beide waren ebenfalls außer Betrieb, die Abklingbecken scheinen noch intakt zu sein, die Kühlung allerdings ist auch hier fraglich. Da es keine Explosionen gab, könnte diese wieder ein Gang gesetzt werden durch Wiederanschluss an das Stromnetz. Das allerdings hängt davon ab, ob die Kühlpumpen noch intakt sind und mit Strom betrieben werden können.

Bewertung: Zumindest in den Rektorcontainments 1 bis 3 und im Abklingbecken vier laufen seit längerem Kernschmelzen. Entweder werden diese die Bodenbehälter bzw. Containments zerschmelzen (vermutete Temperatur der „Atomsuppe“ ca. 2.000°C, Schmelzpunkt der Stahlbehälter ca. 1.500 °C!) und dadurch wird dann extrem viel Radioaktivität freigesetzt oder es kommt in den Reaktorcontainments 1 bis 3 zu Wasserstoff/Knallgas-Explosionen mit derselben Folge. Eine Explosion des Reaktorcontainments 3 wurde vermutlich nur durch Anbohren und Freisetzen des Knallgasgemisches (und Radioaktivität) verhindert (s.u. (ARD) 20.03.2011 05:39 Uhr).

Die Freisetzung von Radioaktivität aus dem Abklingbecken in Reaktor 4 läuft seit der Explosion (Becken, KEIN Containment!) und ist nicht mehr zu verhindern.

 

Radioaktivität:

Hier eine Seite zur Ausbreitung der Radioaktivität in Japan und Messwerte von TEPCO in Fukushima.

Bewertung: Wie vorher gesehen wird die Westküste Nord- und Mittelamerikas von der radioaktiven Wolke erreicht werden. Die entscheidenden Fragen werden sein: 1. Regnet es auf dem Transportweg und wird so Radioaktivität ausgewaschen und 2. wie konzentriert/wie weit verfechernd ist die Strömung und somit wie konzentriert bleibt die Strahlung?

Diese Meldungen (s.u.) sind alarmierender als befürchtet. Nimmt man die Meldung zu den Bohnen von der Südspitze Japans einmal aus (die m.E. nicht durch Fukushima verursacht ist), bleiben die Werte besorgniserregend. Bis Radioaktivität ins Trinkwasser (hat da wer Erfahrungswerte? 24 – 36 h?) oder in die Nahrung gelangt, dauert einige Zeit. Das heißt, die JETZT gemessenen Werte stammen aus den ersten Tage der Katastrophe und berücksichtigen noch nicht die hohen Werte der letzten Tage …

 

Zu der Lage im Einzelnen

Tepco: Block 3 und 4 noch Tage ohne Strom

(ARD) 20.03.2011 14:26 Uhr: Nach Angaben des Fukushima-Betreibers Tepco wird es noch Tage dauern, bis auch die Reaktorblöcke 3 und 4 wieder mit Strom versorgt werden können.

Reaktordruckbehältern 4, 5 und 6 sicher

(GP) 20.03.2011, 13:09 Uhr: Das Japan Atomic Industrial Forum (JAIF) schätzt Wasserstand und Druck in den Reaktordruckbehältern 4, 5 und 6 im Augenblick als sicher ein. In den Reaktordruckbehältern der Blöcke 1, 2 und 3 soll der Wasserstand dagegen weiterhin besorgniserregend niedrig sein. In den Abklingbecken der Reaktoren 3 (MOX-Brennstäbe) und 4 ist der Wasserstand ebenfalls zu niedrig. Beide werden mit Wasser von außen gekühlt. Im Becken von Reaktor 4 soll es eine Wasserstoffexplosion gegeben haben.

(GP) 20.03.2011, 10:30 Uhr: Derzeitiger Stand: Die Mannschaft in Fukushima 1 will versuchen, Reaktor 1 und 2 ans Stromnetz anzuschließen. In Reaktor 3 hatte sich die Lage zwischenzeitlich wieder verschärft, so dass Tepco erneut Druck ablassen wollte. Da dann eine Stabilisierung eintrat, ist dies nicht geschehen. Jetzt soll wieder Wasser auf das Abklingbecken gespritzt werden. Auch Reaktor 4 soll weiterhin mit Wasser von außen gekühlt werden. Da hier noch mehr von Wänden und Dach steht, ist es schwieriger, das Abklingbecken zu treffen.

Druck am Block 3 gestiegen

(ARD) 20.03.2011 05:39 Uhr: Im Anschluss an einen massiven Einsatz von Wasserwerfern am Block 3 des Atomkraftwerks Fukushima ist der Druck im Reaktorkern wieder gestiegen. Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldete am Sonntag unter Berufung auf die Atomsicherheitsbehörde, es würden zügig Maßnahmen eingeleitet, um den Druck zu verringern. Zuvor war dieser Reaktor 13 Stunden lang unter Wasser gesetzt worden, um das Abklingbecken für abgebrannte Kernelemente zu füllen.

 

Radioaktivität:

hoch radioaktiver Spinat in der Region Tokio

(FTD) 20.03.201, 14:55: Laut Nachrichtenagentur Kyodo ist in der japanischen Präfektur Tochigi Spinat mit hoch radioaktiven Substanzen entdeckt worden. Auch in der Provinz Gunma, nördlich von Tokio, wurde nach Angaben der Agentur Jiji Press verstrahlter Spinat gefunden. Die Präfektur Tochigi liegt nördlich von Tokio, die Provinzhauptstadt Utsuomiya ist nur 100 Kilometer von der japanischen Metropole entfernt. Wie hoch der Spinat belastet ist, wurde nicht gesagt.

Radioaktiv belastete Bohnen in Taiwan entdeckt

(ARD/FTD) 20.03.2011 10:00 Uhr: In Taiwan sind 14 Kilogramm radioaktiv belastete Bohnen aus Japan entdeckt worden. Bei der Lieferung aus Kagoshima, im Süden Japans (Anm.: ca. 1.000 km Luftlinie von Fukushima entfernt), seien erhöhte Strahlenwerte gemessen worden, teilten die taiwanesischen Behörden mit. Genauere Angaben machten sie nicht.

Radioaktiv verseuchte Milch in 45 Kilometer Entfernung

(ARD) 20.03.2011 00:10 Uhr: Auch 45 Kilometer nordwestlich des Atomkraftwerks Fukushima, in der Stadt Kawamata, übersteigt Japans Gesundheitsministerium zufolge die Belastung von Milch mit radioaktivem Jod den zugelassenen Grenzwert. Das teilte die Nachrichtenagentur Kyodo mit.

Leitungswasser I

(GP) Samstag, 19. März 2011, 16.30 Uhr: Japanische Behörden haben im Leitungswasser nahe des Kraftwerks Fukushima erhöhte Werte von Radioaktivität nachgewiesen. Die Werte sollen den empfohlenen Wert übersteigen, über dem man das Wasser nicht mehr trinken sollte. Der Kontakt mit radioaktivem Jod kann zu einem -erhöhten Krebsrisiko führen.

Erhöhte Radioaktivität im Trinkwasser Tokios

(ARD) 19.03.2011 13:57 Uhr Im Trinkwasser der japanischen Hauptstadt Tokio sind laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Kyodo erhöhte Werte von radioaktivem Jod nachgewiesen worden. Erhöhte Strahlungswerte seien auch bei Trinkwasserkontrollen der Präfekturen Gunma, Tochigi, Saitama, Chiba und Niigata festgestellt worden.

Dazu: (Standard, Österreich) Die Messwerte reichten für radioaktives Jod von 0,27 bis 77 Becquerel (Bq) pro Kilogramm Wasser. Die bekannt geworden Caesiumwerte waren im einstelligen Bereich. Die Grenzwerte in Japan für Jod beträgt 300 Bq pro Kilogramm Wasser und für Cäsium 200 Bq/kg Wasser. Zum Vergleich: Die deutschen Grenzwerte für Milch und Säuglingsnahrung liegen bei 370 Becquerel (Cäsium 134/137) pro Liter beziehungsweise Kilogramm.

 

Quellen:

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/erdbeben_in_japan_regierung_ruft_atomaren_notstand_aus/

https://www.tagesschau.de/nachrichtenticker/

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,752037,00.html

https://www.ftd.de/politik/international/:live-ticker-zur-katastrophe-in-japan-hamburg-verteilt-jodtabletten-an-seeleute/60027914.html

https://www.eurad.uni-koeln.de/

https://www.bmu.de/files/bilder/allgemein/image/jpeg/japan_tepco_messung_07_gr.jpg

https://www.grs.de/informationen-zur-lage-den-japanischen-kernkraftwerken-fukushima-onagawa-und-tokai

https://derstandard.at/1297820865833/Live-Ticker-von-Samstag-Tote-und-Vermisste-auf-mehr-als-20000-angestiegen

Kategorien
Störfalle

Update 18.3.2011 MIT Hintergründen

TEPCO verurteilt Arbeiter zum Tod!

„Tepco erhöht Grenzwerte“

(TAZ, NTV, SpON) Der AKW-Betreiber Tepco erhöht den Grenzwert der Strahlenbelastung für die Arbeiter auf 100 Millisievert pro Stunde.

(Anm.: Wenn diese Meldung stimmt, ist der Skandal perfekt: Falls die Arbeiter in 12 Stunden-Schichten im Einsatz sind, haben sie nach 3 Tagen eine Strahlung von 3,6 Sievert aufgenommen und erkranken an der Strahlenkrankheit! Etwa 50 % von ihnen wird dann in den nächsten Tagen sterben. Beruflich exponierte Personen dürfen in Deutschland in Einzelfällen mit bis zu 50 Millisievert pro Jahr belastet werden.)

 

Kommentar:

Hilfloses Anrennen gegen die unvermeidbare Katastrophe

An dieser Stelle ist eine deutliche Distanzierung – auch zu den Medienberichterstattungen in Deutschland – erforderlich. Hier wird ein Optimismus verbreitet, der durch nichts gerechtfertig ist. Schon das Gerede „der Super-GAU ist noch nicht eingetreten“ ist falsch. „GAU“ ist der größte, noch beherrschbare „Auslegungsstörfall“, und DER ist in mindest vier, wahrscheinlich in mehr Reaktoren schon lange ÜBERSCHRITTEN. Um in den Terminus zu bleiben, stellt sich derzeit die Frage, ob der vierfache Super-GAU noch durch einen Mega-GAU getoppt wird!

Die Kühlversuche mit Hubschraubern und Wasserwerfern waren – wie von vorneherein klar – nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die Zielgenauigkeit in beiden Fällen ist gering, vor allem die die Hubschrauber aufgrund der Strahlung NICHT über den Reaktoren stehen bleiben können. Zudem zerstäuben ca. 90 % des Wassers VOR dem Auftreffen, wenn sie denn wirklich auftreffen … Die gefeierte „Erfolgsmeldung“ „Dampf sei entstanden, somit sei offenbar der Reaktor getroffen worden“ zeigt den Grad der Verzweiflung! In die selbe Kategorie ist die Hoffnung-verbreitende Meldung einzuordnen, Stromleitungen würden wieder angeschlossen und die „Pumpen könnten dann wieder in Betrieb genommen werden“. Keiner, der die Bilder der zerstörten Gebäude gesehen hat, kann ernsthaft glauben, dass darin noch funktionsfähige Pumpen wären …

Die Entscheidungen der nächsten Tage fallen an anderer Stelle. Entscheidend werden die Windverhältnisse in den Tagen nach den kommenden Explosionen oder dem Durchschmelzen der Reaktor-Containments sein. Die Explosionen unterbleiben u.U. deshalb, weil die Containments bereits beschädigt sind (in Block 2 ist dies wohl der Fall). Wo nicht wird die Frage sein, ist der Druckanstieg schneller oder der Temperaturanstieg? Stahl hat einen Schmelzpunkt von 1.500 °C, die Temperatur der „Reaktorsuppe“ wurde mehrfach mit 2.000 °C gemeldet. Gleichzeitig entsteht bei dem Prozess Wasserstoff. Da noch Luft (Sauerstoff) im Containment sein dürfte, droht die Gefahr weiterer Knallgas-Explosionen, dieses Mal IM CONTAINMENT unter dessen Zerstörung. Eine weitere entscheidende Frage wird sein, wie viel Bor (Borsäure) dem Kühlungswasser in den ersten Tagen beigemischt war, da diese Menge Einfluss auf die radioaktive Reaktion der Brennstäbe hat und diese ggf. verlangsamt.

Ein Zuschütten mit Sand/Beton o.ä. kann erst nach einem Abklingen der Strahlung in dem Maß durchgeführt werden, dass die ausströmende Radioaktivität unterbunden wird. Vorher ist da nicht dran zu denken, es sei denn man würde Dutzende von Hubschrauberbesatzungen im wahrsten Sinn des Wortes „verheizen“. Das größte Problem ist das offenliegende Abklingbecken in Reaktor 4, in dem offenbar ebenfalls eine Kernschmelze läuft, da muss nichts mehr explodieren, da wird jetzt schon massiv Radioaktivität emittiert.

 

Anti-AKW-Bewegung in Frankreich

(Hartwig Berger): In Frankreich rufen 36 Organisationen zu einer landesweiten Demonstration zur Fukushima Katastrophe und gegen die französische Nuklearpolitik auf, Sonntag, 20.3., in Paris ab 15 Uhr. Hauptakteur ist das Netzwerk Sortir du Nucleaire, beteiligt sind u.a. Europe Ecologie und zwei Linksparteien (NPA und Parti du Gauche), nicht Sozialisten oder Kommunisten.

Die zentralen Forderungen sind:

1. Stop aller Neubauprojekte (wie EPR) in Frankreich

2. Sofortige Stilllegung alle mehr als 30 Jahre betriebenen Reaktoren. Das sind insgesamt 16 (der 58), darunter Fessenheim (2), Bugey (5), Tricastin(3).

3. Stop aller nuklearen Auslandsprojekte der frz. Industrie.

Gefordert wird eine breite gesellschaftliche Debatte zur Atomkraft in Frankreich. Sortir du Nucleaire, ein Netzwerk von mehreren 100 Gruppen, beruft sich auf die (unzureichenden)Schritte selbst der deutschen Bundesregierung, mit dem Argument, dass die Franzosen, wenn schon, das Recht zu demselben Sicherheitsniveau wie die Deutschen haben… .

 

Der ARD-Korrespondent in Japan untergräbt den Mythos von den 50 Helden[1]

Die Helden von Fukushima: Obdachlose, Gastarbeiter und Arbeitslose?

In den letzten Tagen war oft die Rede von den angeblich 50 noch am AKW Fukushima verbliebenen Arbeitern, die sich trotz der hohen Strahlenbelastung für das Wohl der Allgemeinheit opfern, um die Katastrophe noch abzuwenden. Die Betreibergesellschaft Tepco hatte Hunderte von Mitarbeitern abgezogen, weil die Strahlenbelastung zu groß wurde. Zurückgeblieben sollen nur wenige sein, so hieß es in allen Medien. Dazu sollen 20 „freiwillige Helfer“ gestoßen sein. In der FAZ war von Helden unter Beschuss von Gammastrahlen die Rede, die Bild tippte das natürlich und titelte: 50 Helden auf Himmelfahrtskommando.

Der ARD-Korrespondent in Japan, Robert Hetkämper, ist hingegen der Überzeugung, dass hier Menschen verheizt werden. Für gefährliche Arbeiten würden von Tepco gerne Obdachlose, Gastarbeiter, Arbeitslose und sogar Minderjährige ausgebeutet werden. Sie würden als „Wegwerfarbeiter“ bezeichnet, weil sie, wenn sie zu stark radioaktiv belastet sind, entlassen würden. Hetkämper habe mit einem Arzt gesprochen, der dies bestätigt habe. Diese „grausame Geschichte“ passiere nicht nur jetzt, sondern schon seit Jahrzehnten. Und sie erinnert, wie die WDR-Kommentatorin sagt, an die Hunderttausende von Liquidatoren, die in der Sowjetunion für den Bau des Sarkophags um den Tschernobyl-Reaktor eingesetzt und geopfert wurden.

 

Quellen (inkl. der in Fußnoten genannten Quellen):

https://www.heise.de/tp/blogs/2/149483

https://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2011/03/17/aktuelle_stunde.xml?noscript=true&offset=991&autoPlay=true&#flashPlayer

https://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/liveticker-japan/


[1] https://www.heise.de/tp/blogs/2/149483