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Akualisierungen des Buches Atom und Politik Hintergründe Terrorgefahr

Iran, der mittlere Osten – viele Konflikte und die Bombe

Im Mittleren Osten, der sog. MENA-Region eskaliert seit wenigen Jahren die politische Lage, mit zunehmenden Tempo, mit zunehmender Gefährdung für die ganze Welt. Dabei überlappen sich Konflikte und Ereignisse, häufig unter multiplikativer Verschärfung.

  1. Konflikt: Die Glaubensauseinandersetzungen zwischen den islamischen Religionen, vor allem zwischen Sunniten und Schiiten nehmen ständig zu.
  2. Konflikt: Der Kampf um die politische Vorherrschaft im arabischen Raum ist in vollem Gang, aktuell spitzt sich diese Auseinandersetzung auf Saudi-Arabien und den Iran zu.
  3. Konflikt: Palästinafrage und Existenzrecht Israels
  4. Konflikt: Islamischer Terrorismus – hier sind beide religiösen Richtungen und beide politischen Richtungen, durchaus nicht eindeutig zuordenbar vertreten, bekämpfen sich und die jeweiligen Verbündeten des „Feindes“ gegenseitig. Am deutlichsten wird dies in Syrien, im Irak und neuerdings im Jemen.

Wie komplex die „Gefechtslage“ in der Region mittlerweile ist, zeigt zum Beispiel, dass die USA im Jemen die sunnitische Allianz gegen die schiitischen Aufständigen unterstützt, während sie im Irak mit schiitischen Verbänden gegen den IS und somit gegen sunnitische Terroristen kämpft.  Saudi-Arabien bombardiert – offenkundig mit US-Aufklärungsdaten – die Schiiten im Jemen, während saudische und andere sunnitische Geldgeber aus der Golfregion nach wie vor den IS zu fördern scheinen.

In diesen Spannungsbogen hinein kommt die „Entspannung“ in der Iran-Atom-Frage scheinbar als positives Zeichen. Ist sie das – falls die aktuell bekannten Festlegungen tatsächlichen umgesetzt werden – wirklich? Nein, die Probleme werden bestenfalls vertagt, schlimmstenfalls verleugnet.

–      Der Weg zur Bombe für den Iran wird erschwert und verlangsamt, aber nicht verhindert. Schon in der Vergangenheit hatte der Iran nicht alle Atomanlagen so gemeldet, wie er verpflichtet gewesen wäre. Wer sagt, dass aktuell alle Anlagen gemeldet sind? Eine 100%-ige Überprüfung in diesem Land ist realistisch nicht durchführbar.

–      Selbst bei vollständiger Umsetzung der vorgesehenen Vereinbarungen ist – z.B. durch Reaktivierung der stillgelegten Zentrifugen – innerhalb weniger Monate wieder bombenfähiges Material herstellbar. Bei einer Kündigung des NVV [sog. Atomwaffensperrvertrag, offiziell „Nichtverbreitungsvertrag“] (s. Beispiel Nordkorea) und des jetzigen Vertrages wäre dies rechtlich sogar zulässig.

–      Das Problem „Schwerwasserreaktor“ mit dem Pfad zu Plutoniumbombe wird angeblich entschärft – wie das geschehen soll, bleibt bisher unklar. Es bleibt aber ebenfalls zumindest offen, dass dieser Pfad jederzeit revidierbar wieder neu beschritten werden kann.

–      Übersehen wird, dass es in der Region bereits zwei „illegale“ Atommächte gibt, Israel und Pakistan [und eine weitere illegale – Indien – in der direkten Nachbarschaft und wiederum in der Konfrontation zu Pakistan]. Da Saudi-Arabien aufgrund der finanziellen Unterstützung bei der Aufrüstung Pakistans de facto vermutlich im Ernstfall einen Zugriff auf pakistanische Bomben hat, sind die beiden Feinde Irans aktuell bereits nuklear bewaffnet. Ohne eine verbindliche und wirksame Garantie (z.B. durch die fünf „offiziellen“ Atommächte) für alle Staaten der Region inklusive des Irans wird dieser die Option auf die Atombombe daher nicht aufgeben (können).

–      Übersehen wird von allen, außer vom Iran selbst, dass immer noch das Trauma des völkerrechtswidrigen Angriffes 1980 und in der Folge achtjährigen Krieges des Iraks unter Saddam Hussein mit bis zu einer Million Opfer auf den Iran wirkt. Der Angriff des Irak erfolgte mit Billigung und mit materieller und politischer Unterstützung des Westens, vor allem der USA und der sunnitischen Staaten. Auch wurde in diesem Krieg seitens des Irak massiv Giftgas eingesetzt.

–      Aus all diesen Überlegungen heraus ist schlagartig die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass es in naher Zukunft einen massiven israelischen militärischen Angriff auf die iranischen Atomanlagen geben kann.

Fazit:

Eine weitere nukleare und konventionelle Aufrüstung des Mittleren Ostens wird nur unter ABRÜSTUNG der aktuellen Atommächte in der Region [und weltweit, wie nach dem NVV verpflichtend] und einer glaubwürdigen Sicherheitsgarantie für den Iran verhinderbar sein.

Zudem muss umgehend ein Verzicht auf die Nutzung jedweder proliferationsfähigen sogenannten „friedlichen Nutzung“ der Atomenergie in dieser Region vereinbart und umgesetzt werden. Der Ausbau der Nuklearindustrie im Mittelmeerraum unter dem Vorwand einer angeblich „friedlichen Nutzung“ ist das Einfallstor zum Beginn eines hemmungslosen atomaren Wettrüstens in der Region. Den Staaten, die bereits über Atomwaffen verfügen, müssen konkrete Schritte zur nuklearen Abrüstung angeboten werden [im Falle Pakistans unter Einbeziehung Indiens].

Gleichzeitig muss die eskalierende politische Lage in der Region durch eine schnellstmöglich angesetzte umfassende Friedenskonferenz mit ALLEN Beteiligten entspannt werden, bevor eine weitere Ausweitung der kriegerischen Konflikte stattfindet.

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Kommentar von Detlev Zum Winkel

E-Mail: detlef.zumwinkel@t-online.de

Lieber Herr Koch,

Sie verschieben das Problem der iranischen Atomrüstung auf das Nachbarland Pakistan und auf das gar nicht mal benachbarte Israel. „Nur“ dadurch, dass diese „aktuellen Atommächte in der Region“ abrüsten, so schreiben Sie, könne eine nukleare Aufrüstung des Iran und weiterer Länder im Nahen Osten verhindert werden. Der schwarze Peter liegt also bei Pakistan (ein Land, das dem Iran ziemlich gleichgültig ist) und, wie üblich, bei Israel (ein Land, das dem Iran alles andere als gleichgültig ist). Dann machen wir doch ein kleines Gedankenexperiment und nehmen an, dass Israel auf eine nukleare Bewaffnung verzichtet, was – nebenbei bemerkt – politisch, ökonomisch und militärisch Sinn macht, nur psychologisch leider nicht. Würde sich die iranische Nuklearpolitik nach einem israelischen Verzicht ändern? Versuchen Sie bitte, diese Frage ehrlich zu beantworten, kommen Sie nicht mit den Versicherungen geschätzter Mitbürger wie Bahman Nirumand, Mohsen Massarrat oder Ahm

ad Taheri, sondern denken Sie dabei an die maßgeblichen iranischen Entscheider wie Ali Khamenei, Haschemi Rafsandschani, Hassan Rohani, Ali Laridschani oder Mahmud Ahmadinedschad.

Mein Antwort lautet eindeutig: Nein. Nicht einmal tausend weitere Zentrifugen würde der Iran einmotten, von zerstören ganz zu schweigen, denn wenn er es täte, würde er ja zugeben, dass er mit der Vielzahl seiner Zentrifugen nicht erklärte Ziele verfolgt. Ihre Meinung ist vielleicht eine andere. So steht Meinung gegen Meinung. Deswegen muss die Frage modifiziert werden: Gibt es irgendwelche konkreten und verifizierbaren Hinweise darauf, dass der Iran sein Atomprogramm modifizieren würde, wenn Israel einen Atomverzicht eingeht? Haben Sie triftige Anhaltspunkte für diese Vermutung? Dann teilen Sie sie bitte mit, denn ich muss sie übersehen haben. Die iranischen Politiker verweisen sehr gern auf Israel, um ihr Nuklearprogramm zu rechtfertigen. Aber sie haben noch nie auch nur angedeutet, verzichten zu wollen, wenn Israel verzichtet.

Die Idee der atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten, die Sie mit vielen anderen Grünen und Linken teilen, gleicht meiner Meinung der Logik, die die frühere Friedensbewegung und die anfänglichen Grünen in den siebziger Jahren vehement (aber nicht nachhaltig) bekämpft haben. Wir sagten damals: Keine Pershing-Raketen in Deutschland! Helmut Schmidt antwortete: Ja – wenn die sowjetischen SS-20 auch nicht stationiert werden. Wir antworteten: Nein – WIR wollen keine Pershings, und die SS-20 sind das Problem der DDR und anderer osteuropäischer Staaten. Das war eine Positionierung, die den Namen Friedensbewegung noch verdiente. Ohne diese Positionierung wären die Grünen gar nicht gegründet worden. Wozu auch? Atomkraft – nein danke, wenn Frankreich auch entsprechend verfährt… Für solche großartigen Entwürfe reicht eine SPD vollkommen.

Ist es denn so schwer zu verstehen? Selbst wenn ALLE Nachbarn des Iran – Türkei, Irak, Aserbeidschan, Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan, Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate – Atommächte wären, so bliebe das iranische Atomprogramm eine Jahrhundertkatastrophe für das iranische Volk. Eine Katastrophe, die definitiv verheerende Folgen haben wird, die sich jetzt schon abzeichnen: ökologische, ökonomische, soziale und politische Folgen, ganz zu schweigen davon, was die ideologische Mixtur aus nuklearem Größenwahn und schiitisch-messianischer Heilserwartung, d.h. die Verbindung zweier gefährlicher Sekten, noch anrichten wird.

Können wir den Iranern nicht schlicht und einfach sagen: Guckst du Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Das ist es, was euch passieren wird. Und wenn es euch nicht passiert, weil Allah euch eventuell doch über alle Maßen liebt, was allerdings unwahrscheinlich ist, dann werdet ihr trotzdem den Atommüll nie wieder los. Denn Allah verkürzt die Halbwertszeiten nicht, weil er sie selber festgelegt hat.

Ich möchte diesen Beitrag nicht beenden, ohne auf Ihre eigentümliche Bezeichnung Israels als „illegale“ Atommacht einzugehen. Die Anführungszeichen haben Sie selbst gesetzt, aber was haben Sie sich dabei gedacht? Wahrscheinlich ist es Ihnen peinlich, dass Sie damit indirekt die USA als „legale“ Atommacht apostrophieren – Hiroshima und Nagasaki lassen grüßen. Oder die Sowjetunion/Russland, die die Atmosphäre beinahe zum Glühen gebracht hätte, hätte nicht Sacharow die Megatonnen des bisher größten Wasserstoffbombentests eigenmächtig reduziert. Oder Frankreich mit der Kontaminierung des Pazifiks durch seine Test. Das war dann wohl alles „legal“.

Bitte etwas mehr Differenzierung und Gerechtigkeit, wenn Sie denn nicht davon abzubringen sind, am allgemeinen linken Israel-Bashing teilzunehmen.

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Antwort des Verfassers:

Sehr geschätzter Herr zum Winkel
Ihr Kommentar erfordert einige Klarstellungen meinerseits und wirft gleichzeitig eine Frage auf, um deren Beantwortung ich SIE im Gegenzug bitte. Im Einzelnen:
1. Sie verkennen den Bezug Pakistans zum Iran (Zitat: „ein Land, das dem Iran ziemlich gleichgültig ist„). Dies ist gerade bei dieser Thematik völlig falsch. Die pakistanische Atombewaffung wurde zum großen – wenn nicht überwiegenden – Teil aus Saudi-Arabien finanziert. Daher gibt es mit einiger Sicherheit Abkommen und Bestandsverpflichtungen, wenn nicht mehr. Saudi-Arabien und Iran stehen aber in einer direkten Auseinandersetzung um die Vorherrschaft am Golf, befeuert – auch, aber nicht nur – durch die religiösen Konflikte der beiden unterschiedlichen Richtungen des Islams. Ein Streben des Irans zur Atombombe wird nur zu stoppen sein, wenn die Bedrohung durch die pakistanische Bombe unter saudischer Verfügung nicht mehr gegeben ist!
2. Es GIBT eine Drohung Israels gegen die atomaren Anlagen im Iran, DAS können Sie nicht diskutieren.
3. … ist unstrittig, auch ich habe das immer wieder betont, dass es für Israel bei einer atomaren Abrüstung einen „nuklearen Schutzschild“ z.B. durch die fünf „offiziellen“ Atommächte geben muss.
4. Würden sich m.E. (das ist allerdings nur eine Vermutung und eine Hoffnung) im Fall einer nicht mehr existierenden atomaren Bedrohung von außen (dazu gehört dann auch ein entsprechendes Abkommen mit den USA) die friedlichen Kräfte im Iran durchsetzen.
5. Ihre Logik bzgl. des Vergleichs mit der Friedensbewegung/Pershings erschließt sich mir leider nicht, sorry …
6. Die Folgen der iranischen Atompolitik für das iranische Volk habe ich in der Tat bisher völlig ausgeblendet, DA gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Aber das war nicht Thema dieser Überlegungen.
7. Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima sind nicht die wesentlichste Bedrohung in diesem Zusammenhang. Es sind schreckliche Katastrophen, die Tausende das Leben und die Gesundheit gekostet haben, die nächsten vergleichbaren Katastrophen werden kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber DAS ist nicht mein wesentliches Argument in dieser Frage. Es werden jeweils – so makaber das auch ist – lokale Ereignisse bleiben, Pech für die Region, die es „erwischt“. Aber bei einem – selbst begrenzten „kleinen“ (soviele Anführungszeichen habe ich gar nicht, wie ich HIER setzen möchte …) Atomkrieg zwischen Iran und Pakistan mit 20 bis 50 Sprengköpfen auf jeder Seite wird nach den neusten Erkenntnissen aufgrund der klimatischen Folgen die Welt, wie wir sie kennen, aufhören zu existieren! Da sind – sorry – Fukushima und die „Endlager“-Frage wirklich Peanuts, unlösbar, unvermeidbar, ärgerlich und teuer für Tausende von Generationen, aber „handlebar“ wie man so schön neudeutsch sagt. Nach einem „kleinen, begrenzten“ Atomkrieg wird die Menschheit nichts, aber auch rein gar nicht mehr „handlen„, sie wird sich, dort, wo sie überlebt ins Mittelalter zurück entwickeln! Einstein hatte völlig recht mit seiner klugen Antwort auf die Frage nach den Waffen des nächsten Krieges: Er wusste keine Antwort, aber über die Waffen des übernächsten Krieges wusste er Bescheid: Steinbeil und Axt.
8. Die Anführungszeichen bei der „illegalen“ Atommacht Israel und wie bei den „offiziellen“ fünf Atommächten und der „friedlichen Nutzung“ der Atomenergie setze ich deshalb bewusst, weil ich diese Bezeichnungen alle für falsch und widersinnig halte. Da die „offiziellen“ Atommächte jeglicher völkerrechtlichen Legitimität entbehren, kann es eigentlich auch keine „illegalen“ geben, dennoch sind diese Begriffe im alltäglichen Sprachgebrauch gegenwärtig und sortieren m.E. einigermaßen zutreffend den Grad des Unrechts. Israel ist wie Pakistan u.a. durch einen Bruch des NVV durch eine oder mehrere der „offiziellen“ Atommächte zu seinen Waffen gekommen. Dieser (NVV) hat nie – zu keinem Zeitpunkt – funktioniert und seinen Zweck (die atomare Bedrohung wieder „einzufangen“) erfüllt, sondern war, ist und bleibt eine Versicherung der Bestandsmächte … und selbst diese funktioniert nicht!
9. und letztens: Die Unterstellung, ich würde am „allgemeinen linken Israel-Bashing teilzunehmen“ weise ich auf das Schärfste zurück. Das kann nur jemand schreiben, der mich nicht kennt. Ich bin ein überzeugter Vertreter des Existenzrechtes Israels und der deutschen Verantwortung für das jüdische Volk aus der deutschen Geschichte heraus, ohne wenn und Aber! Allerdings schließt diese Verantwortung auch ein, auf erkennbare Fehlentwicklung zum Schaden Israels hinzuweisen. Genau dies tue ich, die atomare Rüstung wird langfristig zur Vernichtung Israels und der gesamten Region führen.
Es bleibt die Frage, welche Lösung des Problems SIE denn vorschlagen. Dazu habe ich leider nichts gelesen …

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Demonstration Termine

aktuelle Termine (Stand 11.2.14)

Region Trier / Frankreich

Sa. 08.03.2014 ab 14:30 Uhr
CATTENOM NON MERCI – FUKUSHIMA MAHNT
Perl, B407 beim Kreisverkehr Dreiländereck
(Aufruf von Ute Schlumpberger, cattenom-non-merci.de )

Mo. 10.03.2014 Diverse Mahnwachen rund um den 3. Jahrestag der Fukushima-Katastrophe siehe ausgestrahlt.de z.B. 10.3. um 17.30 Uhr in Koblenz Montagsspaziergang am Löhrrondell (BUND Koblenz)

Di.  11.03.201 18h Mahnwache in Trier, danach um 19h Vortrag zu ‚Fukushima die andauernde Katastrophe und ihre globalen Auswirkungen‘ (Antiatomnetz Trier)

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Termine Norddeutschland:

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Akualisierungen des Buches Atom und Politik drohender Atomkrieg Terrorgefahr Vorträge

Lässt sich ein Atomkrieg noch verhindern?

Die Menschheit hat seit 1945 beträchtliches Glück gehabt. Obwohl eine vernichtende neue Waffe – die Atombombe – entwickelt worden war, wurde sie – nach einem zweimaligen Einsatz – bisher nie wieder im Kriegsfall verwendet. Betrachtet man rückwirkend, wie knapp entsprechende Entscheidungen und Handlungen an einem möglichen Einsatz vorbei gingen, lässt sich nur mit „großem Glück“ charakterisieren. Sachliche Überlegungen oder rationale Abwägungen waren in den entscheidenden Phasen zumindest nicht immer entscheidend.

Aus dem – über lange Zeit stabilen – Kreis der fünf Atommächte sind mittlerweile neun Staaten geworden, die über die Einsatzmöglichkeit von Atomwaffen verfügen. Hinzugekommen sind die sog. „Faktischen“ Atommächte Indien, Pakistan und Nordkorea, die alle drei den Besitz von Atomwaffen zugeben oder sich gar damit brüsten sowie Israel. Deren Besitz von Atomwaffen ist ein offenes Geheimnis, zeitweise verplaudert sich auch mal ein hochrangiger Politiker[1].

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Akualisierungen des Buches Hintergründe

Nukleare Hungersnot: eine Milliarde Menschen sind gefährdet

Im April 2012 veröffentlichte IPPNW den Bericht „Nukleare Hungersnot: eine Milliarde Menschen sind gefährdet“, in dem untersucht wurde, welche Folgen ein begrenzter, regionaler Atomkrieg für Klima und Landwirtschaft haben würde. Der Bericht behandelte vor allem die Rückgänge in der US-amerikanischen Mais-Produktion und in der chinesischen Reis-Produktion, die aus den vorhergesagten Klima-Störungen resultieren würden. Der Bericht folgerte, dass selbst ein begrenzter nuklearer Konflikt eine erhebliche Hungersnot hervorrufen würde, vor allem in den Entwicklungsländern. Mehr als eine Milliarde Menschen wären dem Hungertod ausgesetzt.

Die Zusammenfassung finden Sie HIER

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Akualisierungen des Buches Hintergründe Vorträge

Atommacht Iran?

Eine Präsentation (PPP) zum Thema finden Sie hier: Atommacht Iran_kurz. Verbände, Parteigliederungen, Bürger-Inis etc. können sich bei Interesse am dazu gehörenden Vortrag gern bei mir melden: Kwkoch(a)gmx.de.

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Hintergründe

Gibt es Atom-Strom ohne die Bombe?

Notfalls mit einem Militärschlag will Israel das iranische Atomprogramm stoppen. So der israelische Verteidigungsminister nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen wie auch der Premier Netanjahu gegenüber dem US-Präsidenten Obama. Israel könne und werde einen atomar aufgerüsteten Iran nicht akzeptieren. Ein mögliches drohendes Szenario zeigt HIER die zu erwartenden Folgen ….

Nun scheint es, nach den Atomgesprächen in Istanbul im April einen Funken Hoffnung zu geben. Der Iran hat eine Fortsetzung der Gespräche angeboten. Israel fühlt sich allerdings nach wie vor vom Iran in seiner Existenz bedroht. Zu Recht?

Kann eine zivile Nutzung der Atomenergie ohne die Gefahr einer militärischen Nutzung überhaupt funktionieren?

Mit dieser Frage der sog. „Proliferation“ (= Verbreitung von waffentauglichen Kernmaterial und/oder dem Wissen und der Technik zur Herstellung und Anwendung) beschäftigte sich bereits früh der Nichtverbreitungsvertrag NVV.

 

Technischer Hintergrund

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Atombomben (von der Fusionsbombe „Wasserstoffbombe“ abgesehen, die jedoch technisch wesentlich aufwendiger ist):

– Uranbombe

– Plutoniumbombe

 

Problem Untrennbarkeit

Das Problem beim Bau einer Atombombe liegt zum einen bei der Zündung (die Beschaffung einer Neutronenquelle) und zum anderen bei der Beschaffung des spaltbaren Materials. Dies kann hoch angereichertes Uran (HEU) sein, hierbei muss die Anreicherung mindestens 80% betragen, oder Plutonium verwendet werden.

Natururan besteht zu etwa 99,3 % aus 238U und zu 0,7 % aus 235U. Für den Betrieb in Kraftwerken reicht eine Anreicherung auf ca. 3 bis 5 %. Erreicht wird die Anreicherungen nur über einen technisch sehr komplexen Ablauf: Aus dem Natururan wird das Gas Uranhexafluorid UF6 hergestellt. Dieses wird in Zentrifugen in die Teile mit den unterschiedlichen Uranvarianten getrennt. Die Trennung ist sehr zeitraubend und aufwendig, es müssen sog. „Kaskaden“ von Zentrifugen hintereinander geschaltet werden, um minimale Anreicherungen zu erreichen.

Sind die entsprechenden Anlagen vorhanden, ist es nur eine Frage der Zeit(dauer), ob der Anreichungsgrad 5 % oder 20 % (z.B. angeblich für en Forschungsreaktor im Iran) oder 80 % für eine Bombe erreicht ist.

Damit ist die „zivile“ Technik von der Waffentechnik untrennbar, wird über das Eine verfügt, hat automatisch das Andere in Händen.

 

Zwei Wege zur Bombe:

Weg „Schwerwasserreaktoren“

Dabei kann normales (Natur-) Uran verwendet werden, die technisch komplizierte Anreicherung entfällt somit. Allerdings muss zum Betrieb des Reaktors „Schweres Wasser“ verwendet werden (der Wasserstoff im Wasser hat dann ein zusätzliches Neutron im Atomkern). Im Abfall des Reaktors entsteht Plutonium, das abgetrennt werden kann. Das Problem hierbei ist die Herstellung oder Beschaffung des „Schweren Wassers“.

 

Weg „Anreicherung“

Hierfür muss das Natururan zunächst wie oben angereichert werden. Die Zentrifugen laufen einfach länger bis 80 % Anreicherung erreicht sind …

In der Vergangenheit versuchten die meisten Regime, die Atomwaffen anstreben, beide Wege.

 

Nichtverbreitungsvertrag NVV

Die verhängnisvolle Gefahr durch die Atomenergie war frühzeitig erkennt. Die damals „Mächtigen“ versuchten „die Geister in der Flasche zu halten bzw. zumindest wieder in diese einzufangen“. Grundlage dafür war der sog. „Atomwaffensperrvertrag“, korrekter  „Nichtverbreitungsvertrag“ NVV[1] (engl.: NPT).

Die Pflicht zur Abrüstung bei den Atomwaffenstaaten

Am 8. Juli 1996 entschied der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag, dass eine rechtliche Pflicht bestehe, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und abzuschließen, die zu nuklearer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führen“. (Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrags, NVV)

Als der Vertrag 1968 unterzeichnet wurde, legte er den damaligen Atomwaffenstaaten (USA; UdSSR, China, Großbritannien, Frankreich) die Verpflichtung auf, schnellstmöglich die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen umzusetzen. Darüber hinaus vereinbart er die Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die aktuellen Atommächte stellen sich jedoch quer und verhindern jeglichen substantiellen Fortschritt in Richtung vollständiger nuklearer Abrüstung.[2]

Dem NVV gehören 190 Staaten an, drei Staaten sind nicht Mitglied: Indien, Pakistan und Israel (Nordkorea hat im Januar 2003 – rechtlich völlig einwandfrei – seinen Rückzug vom Vertrag erklärt). Deutschland trat dem Vertrag am 2. Mai 1975 bei. 1995 beschlossen die Vertragsstaaten die unbegrenzte Gültigkeit des Vertrages.

Ein wichtiger Schritt nach vorne wurde am 24. September 2009 getan: Der UN-Sicherheitsrat hat einstimmig eine Resolution zur vollständigen nuklearen Abrüstung und zum Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atom­waffen verabschiedet. Damit erklärt der Sicherheitsrat „eine Welt ohne Atomwaffen” zu seinem vorrangigen Ziel und bekräftigt die Zielsetzung von 1968.

Verleugnung der Proliferationsgefahr

George W. Bush forderte 2008 mehrere hundert neue Atomkraftwerke, wobei auch Länder der Dritten Welt („nukleare Partnerschaften mit Entwicklungsländern“)[3] als Standorte diskutiert werden. Aufgrund der heute schon absehbaren Verknappung von Uran soll dabei die Brütertechnologie verwendet werden. Das bedingt aber die Erzeugung von Plutonium.

Sarkozy ging in den letzten Jahren, zumindest vor Beginn des „Arabischen Frühlings“, einen ähnlichen Weg, AKWs sollten in etliche nordafrikanische Länder exportiert werden, häufig im Tausch gegen Uranvorkommen, denen es Frankreich mangelt.

Damit betreiben die USA und Frankreich das Gegenteil dessen, was die USA von Iran auch heute noch fordern, denn damit würden diesen Ländern die Technologien zumindest teilweise zur Verfügung gestellt, deren Nutzung Iran verweigert werden. Das Recht auf die sog. „Zivile Nutzung“ steht laut NVV jedem Unterzeichner zu, dies ist sogar zu „unterstützen“

Zudem ist nicht berücksichtigt, dass auch vermeintlich stabile Länder binnen weniger Jahre ins Chaos stürzen können (siehe Zimbabwe, Ruanda, Kenia und die Elfenbeinküste) und Technologie wie Spaltmaterial damit in die Hände von „Schurken“ fielen.

Beispiele für Proliferation

Die frühen „Sünden“

Südafrika verfügte auf dem Höhepunkt der Apartheidpolitik, obwohl politisch isoliert, über Atomwaffen. Das Land, das sechs Atombomben hergestellt hatte, gab sein Programm in den 1990er-Jahren auf.  Ein Schlüsselprojekt war die südafrikanische Urananreicherungsanlage Pelindaba, die nach deutschem Vorbild gebaut wurde.

Brasilien arbeitete immerhin zeitweise an der Entwicklung von Atomwaffen. Ein führender Wissenschaftler sagte aus, die Armee habe vor „15 Jahren kurz vor dem Bau der Atombombe“ gestanden.  Das geheime Projekt soll von den Militärs nach dem Ende der Militärdiktatur ohne Kenntnis der demokratischen Regierung weitergeführt worden sein und wurde schließlich nach seinem Bekanntwerden 1990 von dieser gestoppt.

Auch Argentinien (potentieller Kriegsgegner) arbeitete offenbar zeitweise an der Entwicklung der Atombombe.

Nordkorea verfügt über Material für mehrere Atombomben und hat bereits mindestens zwei, die erste allerdings wenig erfolgreich, gezündet. Der Dauerkonflikt mit dem Nachbar Südkorea und dessen Schutzmacht USA droht jederzeit, wie schon mehrfach in den letzten Jahrzehnten, zu eskalieren. Nordkoreanischen Wissenschaftlern ist es nach Angaben der Regierung im Sommer 2009 gelungen, die Endphase der Urananreicherung zu erreichen. Zudem werde Plutonium waffenfähig gemacht.

Pakistan und Indien standen mehrfach – beispielsweise im Jahre 2007 – dicht am Rande eines Krieges, der bei drohender Niederlage einer Seite in der Fortsetzung möglicherweise atomar ausgetragen worden wäre. Im Juli 2002 schien die Lage brisanter denn je: So forderten westliche Staaten Zehntausende ihrer Bürger auf, den Subkontinent zu verlassen. Englische und amerikanische Diplomaten und politische Emissäre der Europäischen Union belehrten in diesen Tagen pakistanische und indische Politiker mit Geheimdienststudien über die unmittelbaren Folgen eines nuklearen Schlagabtausches: Bei Einsatz aller indischen und pakistanischen Atombomben gegen die Bevölkerungszentren kämen bis zu zwölf Millionen Menschen ums Leben.

Am 10. März 2004 unterzeichnet Libyen ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag. Libyen hatte nach monatelangen Geheimverhandlungen mit den USA und Großbritannien am 19. Dezember 2003 seinen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen bekannt gegeben. Am 8. März 2004 lieferte Libyen 16 Kilogramm hoch angereichertes Uran an Russland aus.

Auch gegen Syrien bestand der Verdacht, er betreibe ein geheimes Nuklearprogramm. Das Know-how zum Umgang mit dem Spaltmaterial soll aus der Atomfabrik in Hanau stammen. Im Jahre 2004 berichtete der SPIEGEL: Ein Ermittlungsverfahren Stockholmer Behörden sowie Recherchen der CIA begründen den schweren Verdacht, Schweden und Deutschland seien beteiligt.

Am 6. September 2007 bombardierten israelische Kampfjets Ziele in Syrien, nördlich der Kleinstadt At Tibnī am linken Ufer des Euphrat. Der Verdacht, dass ein in Bau befindlicher Atomreaktor (möglicherweise baugleich mit dem Reaktor der Kerntechnischen Anlage Nyŏngbyŏn in Nordkorea) getroffen und zerstört wurde, hat sich seither praktisch zur Gewissheit verdichtet.[4]

Kadir Khan

Seitens des „Vaters der pakistanischen Atombombe“, Kadir Khan, wurden die Baupläne auch an Dritte (sog. „Schurkenstaaten“ wie Libyen, belegbar an Nordkorea, vermutlich auch an Iran, aber unter Umständen auch an Terroristen)[5] weitergegeben. An Libyens Atomprogramm war Kadir Khan nachweisbar beteiligt: Die Pläne dazu wurden 2006 auf dem Computer eines schweizerischen Netzwerkes gefunden, das mit Kadir Khan zusammenarbeitet.[6]

Kadir Khan[7] lernte sein „Handwerk“ in Deutschland, Belgien (Doktortitel 1972 in Leuven) und den Niederlanden (Zentrifugenfabrik der Urenco-Gruppe).[8] An der Lieferung der nötigen Technologie nach Pakistan waren vornehmlich deutsche und schweizerische Unternehmen beteiligt.

Der Vater der pakistanischen Atombombe, Kadir Khan, lieferte nukleare Technologie und das relevante technische Know-how an Nordkorea, den Iran und Libyen, das wird von ihm selbst immer wieder behauptet.

Zumindest Nordkorea erhielt über das angeblich private Netzwerk von Khan ganze Zentrifugen zur Urananreicherung und Pläne für solche Maschinen. Das gab 2005 Pakistans Präsident Pervez Musharraf in einem Interview mit der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo unumwunden zu. Auf die Frage nach Berichten, denen zufolge Khan Nordkorea etwa 20 Zentrifugen zukommen ließ, sagte Musharraf: „Ja, Khan lieferte Zentrifugen, in Teilen und komplett.“ [9]

Israels Atomwaffen

Der NVV wurde von Israel niemals unterschrieben. Das Atomwaffenprogramm entstand mit französischer Unterstützung. Wie später beim Irak war Frankreich 1956 am Bau des Atomreaktors zur Herstellung von waffenfähigem Plutonium in Dimona beteiligt. Erstmals berichtete die CIA 1968, dass Israel mit dem Bau von Atomwaffen begonnen habe.[10]

1969 gab es eine Vereinbarung zwischen US-Präsident Richard Nixon und der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir: Die USA beenden die Inspektionen und „übersehen“ das Atomwaffenprogramm, Israel schweigt über sein Atom-Programm und testet die Bomben nicht. Seitdem betreibt Israel das Programm heimlich und verfolgt jede Äußerung darüber im eigenen Land mit schärfsten Strafen.[11]

Im Jom-Kippur-Krieg 1973 soll Israel mit dem Einsatz von Atombomben[12] gedroht haben („Samson-Option“).[13] Seit 1988 hat Israel einen Satelliten im Weltraum, sodass auch Ziele in den arabischen Ländern mit Jericho-Raketen getroffen werden können. Weiterhin wird vermutet, dass die Israelis taktische Mini-Nukes entwickelt haben.[14] Im September 1986 enthüllte Mordechai Vanunu,[15] ein technischer Angestellter des israelischen Atomkraftwerkes Dimona, der britischen Zeitung „The Sunday Times“, dass in Dimona mehr als 200 Atomsprengköpfe hergestellt worden seien.[16]

Am 11. Dezember 2006 hat der israelische Ministerpräsident Olmert Israel in die Reihe der Atommächte gestellt. Damit werden im Nahen Osten keine Verhandlungen ohne die israelische Atombombe mehr möglich sein.[17]

Durch die in Deutschland gebauten U-Boote der Dolphin-Klasse hat Israel mittlerweile sogar eine „Zweitschlagfähigkeit aufgebaut. D.h. im Fall eines nuklearen Angriffes, der vermutlich das gesamte Land vernichten würde, könnte Israel den Angreifer immer noch ebenfalls vernichten.

Atommacht Iran?

Immer wieder wird gemeldet, der Iran arbeite an der Entwicklung von Atombomben.[18] Gleichzeitig droht er Israel die Vernichtung an. Nach Ansicht von Experten des Bundesnachrichtendiensts (BND) könnte das Regime schon binnen sechs Monaten (Stand Juli 2009) eine Bombe bauen und diese testen. Nach Erkenntnissen des BND beherrschen die Iraner mittlerweile die komplette Anreicherungstechnologie und verfügen über genügend Zentrifugen, um waffenfähiges Uran herzustellen.[19]

Wie kam die Atomtechnik in den Iran?

Mitgliedstaaten der Euratom unterstützten ein AKW-Projekt im Iran des Schah, Frankreich baute in Chusestan ein Atomkraftwerk. Der Bau wurde 1979 nach der islamischen Revolution unter Chomeini unterbrochen und nicht wieder aufgenommen.[20]

Irans Atomanlagen[21]:

Teheran

Der Tehran Research Reactor mit einer Leistung von 5 MW wurde 1967 mit Hilfe der Vereinigten Staaten errichtet. Der Betrieb wurde auf Brennelemente ausgelegt, die auf 93 % HEU angereicht wurden. Die erste Lieferung erfolgte durch die USA, die nach der islamischen Revolution sämtliche Lieferungen unterbrach. Ab 1987 wurde der Reaktor für den Betrieb mit 20 % angereichertem Uran umgewandelt.

 

Buschehr

Das Kernkraftwerk Buschehr befindet sich 17 Kilometer südlich der gleichnamigen Stadt am Persischen Golf. Schon 1974 schloss die westdeutsche Kraftwerk-Union AG, ein Joint Venture der Siemens AG und von AEG-Telefunken, einen Vertrag über den Bau im Umfang von vier bis sechs Milliarden US-Dollar ab. Mit dem Bau der zwei Reaktorkerne – der Baubeginn war am 1. Mai 1975 – war die ThyssenKrupp AG beauftragt. Die Bauarbeiten sollten ursprünglich bis 1982 abgeschlossen sein.

Im Januar 1979 wurde der Bau unterbrochen, nachdem im Verlauf der Islamischen Revolution die Wirtschaft des Landes praktisch zum Stillstand gekommen war. Im Juli zog sich die Kraftwerk-Union aus dem Projekt zurück, da sich Iran im Zahlungsrückstand befand. Das Unternehmen hatte bis dahin 2,5 Milliarden Dollar erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war der eine Reaktor zu ca. 85 Prozent, der andere zu 50 Prozent fertig gestellt. Während des Ersten Golfkriegs wurden beide im Bau befindlichen Reaktorblöcke durch mehrere irakische Luftangriffe in den Jahren 1985 bis 1987 stark beschädigt.

1995 unterzeichnete Iran einen Vertrag mit Russland über die Fertigstellung des Reaktors von Buschehr. Die Verhandlungen hierzu begannen bereits 1990. Ab dem 21. August 2010 wurde der Reaktor erstmals mit Brennstäben bestückt, bis zum 5. September 2010 war die Installation aller 163 Brennstäbe in den Reaktor vorgesehen. Am 4. September 2011 wurde das Kernkraftwerk Buschehr erstmals an das Stromnetz angeschlossen.[12]

 

Natanz

Die durch Flugabwehrsysteme geschützte unterirdische Anlage von Natanz liegt etwa 225 km südsüdöstlich von Teheran in der trockenen Landesmitte. Hier betreibt der Iran ein Projekt zur Urananreicherung. Die Anlage kann nach Informationen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) bis zu 50.000 Gaszentrifugen aufnehmen.

Im November 2009 hatte der Iran 1.800 kg auf 3,5 % angereichertes Uran hergestellt. Am 9. Februar 2010 gab der Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, bekannt, dass in Natanz mit der Produktion von auf 20 % angereichertem Uran begonnen worden sei. Nach eigenen Angaben benötigt der Iran ca. 120 kg von diesem Material zum Betrieb eines Forschungsreaktors in Teheran. Nun sollen jeden Monat drei bis fünf Kilogramm auf 20 % angereichertes Uran produziert werden, der Tehran Research Reactor benötigt davon 1,5 kg.

 

Fordo/Qom (auch „Ghom“ geschrieben)

Im September 2009 informierte der Iran wenige Tage vor einem lange erwarteten Treffen zwischen Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschland die IAEO darüber, dass das Land an einer zweiten Anlage zur Urananreicherung baue. Der Atomanlage Fordo bei Qom wird wegen ihrer auf maximal 3.000 Zentrifugen begrenzten Kapazität eine ausschließlich militärische Zweckbestimmung (Hochanreicherung) unterstellt.

 

Isfahan

Die Universitätsstadt Isfahan gilt als Zentrum der iranischen Kernforschung; dort befindet sich eine Anlage zur Produktion von Brennstäben. In den Anlagen von Isfahan kann Uran auch in das gasförmige Uranhexafluorid umgewandelt werden – ein notwendiger Ausgangsstoff für angereichertes Uran.

 

Arak

In Arak wird Schweres Wasser zur Moderation von Reaktoren hergestellt. Die Existenz der Anlage in der Nähe Araks wurde erstmals im Dezember 2002 durch Satellitenaufnahmen bekannt, die vom Institute for Science and International Security (ISIS) veröffentlicht wurden.

 

Karadsch

In Karadsch (ca. 40 Kilometer nordwestlich von Teheran) befindet sich ein Nuklearforschungszentrum für Landwirtschaft und Medizin, das seit 1995 über ein von Belgien geliefertes 30-MeV-Zyklotron und eine von China gekaufte Isotopentrennanlage verfügen soll. Ende der 1990er Jahre meldeten Vertreter des Nationalen Widerstandsrats Iran, dass bei Karadsch ein Reaktor gebaut werde. Russische und chinesische Experten unterstützen die Projekte in Karadsch angeblich. Die Stadt gilt auch als Zentrum der iranischen Raketenindustrie. In der Nähe soll es einen Reserve-Urananreicherungsanlage geben, falls Natanz bombardiert wird. Die Anlage soll mit Laser-Anreicherung funktionieren.

 

Bergwerk Saghand

Das Bergwerk Saghand liegt etwa 185 km nordöstlich von Yasd. Nachgewiesene Reserven wurden im Bericht zum 2003er Symposium mit 842 Tonnen Uran angegeben. Im November 2004 wurde durch die IAEA festgestellt, dass die Tagesanlagen und die Infrastruktur praktisch fertig gestellt. Die Jahresproduktion soll 50 Tonnen Yellowcake betragen.

 

Weitere Anlagen:

Die Uran-Aufbereitungsanlage in Gchine (in der Nähe von Bandar Abbas am Persischen Golf) ist nach Schätzungen für die Produktion von 21 Tonnen Uran jährlich ausgelegt. Die Militäranlage in Parchin gilt als möglicher Standort für Atomexperimente.

Eine Übersichtskarte zu den Atomanlagen findet sich hier!

 

Der technische Stand

Der Iran hat nach Angaben der Wiener Atomenergiebehörde IAEO mehr als 7.000 Zentrifugen in der Atomanlage Natanz installiert.[22] September 2009 gesteht der Iran ein, an einer zweiten Anreichungsanlage zu bauen. Die neue Anlage bei Ghom südlich von Teheran sei groß genug für 3.000 Zentrifugen zur Urananreicherung. Das sei etwa die Menge, die man benötige, um innerhalb eines Jahres das Material für eine Atombombe herzustellen, allerdings nicht genug für einen Atomreaktor, so Experten.[23]

Im April 2012 wurde bekannt, dass iranische Wissenschaftler in Parchin im Jahr 2003 eine Neutronenquelle getestet haben. Mit diesem Bauteil werden bei der Zündung einer Atombombe die benötigten Neutronen freigesetzt. Beteiligt waren u.a. zwei der Wissenschaftler, die im November 2010 Opfer von Mordanschlägen wurden.[24]

Allerdings überraschten alle wesentlichen US-Geheimdienste im Anfang 2012, dass der Iran „derzeit nicht an einem militärischen Atomprogramm arbeite“.[25] Gleichzeitig wird gemeldet, dass der Iran über bereits 110 Kilogramm auf 20 % angereichertes Uran verfügen könnte.[26]

Aktueller Stand:

Bei den Verhandlungen (den sog. 5+1-Gespräche mit den fünf Atommächten und Deutschland) bzgl. des iranischen Atomprogramms in Istanbul wurde immerhin – nicht mehr und nicht weniger – ein neuer Termin erreicht.

Im Streit um das iranische Atomprogramm gilt die Fortsetzung der Gespräche schon als ein Erfolg. Doch die strittigen Fragen sollen erst bei dem Folgetreffen am 23. Mai 2012 in Bagdad auf den Tisch kommen.

Fazit des Autoren:

1. Iran arbeitet derzeit (!) nicht an einer militärischen Nutzung des Atomprogrammes. Vermutlich, wenngleich die „harten“ Beweise noch fehlen, gab es bis etwa 2003 eine militärische Linie, die verfolgt wurde.

2. Das „zivile“ Atom-Programm des Iran ist so aufgebaut, dass jederzeit wieder auf die militärische Schiene gewechselt werden kann: Neutronenzünder sind getestet und vermutlich einsatzbereit, was fehlt ist ausreichend spaltbares Material. Dieses wird auf zwei Wegen beschafft: Zuvorderst über die 20 %-Anreicherung, angeblich für den Forschungsreaktor in Teheran, aber auch die Plutonium-Schiene über einen Schwerwasserreaktor ist offenbar noch nicht aufgegeben.

3. Bei „Bedarf“ wäre – falls ausreichend Spaltmaterial vorhanden ist, vermutlich innerhalb weniger Monate eine Atombombe herstellbar.

 

Zur Politischen Bewertung:

a) Die Drohung der Vernichtung Israels durch die iranische Führung ist ernst zu nehmen. Allerdings ist ein atomarer Erstschlag durch den Iran auszuschließen, da dieser einem Selbstmord gleichkäme. DIES ist jedem iranischen Politiker bewusst.

b) Eine Vergeltung nach einem Angriff auf den Iran ist dabei aufgrund der Mentalität, der politischen Großlage am Golf und der instabilen Lage sowohl in der Region wie im gesamten arabischen Raum eine völlig andere Ebene. Hier wäre die Reaktion nicht berechenbar.

c) Israels Atomwaffen werden immer mehr zum Problem in der Region. Einzige Möglichkeit wäre die Schaffung eines „atomwaffenfreien Nahen Ostens“, zu dem es mittlerweile mehrere Pläne (u.a. Saudi-Arabien) gibt. Dabei ist eine wirkungsvolle Garantie für die Unversehrtheit Israels erste Bedingung.

d) Alternative wäre ein Wettrüsten in der Region, bei der dann vermutlich auch Saudi-Arabien, Ägypten und weitere Staaten nach Atomwaffen streben werden.

e) Alle Friedensfragen dieser Region werden eine Lösung des Palästinaproblems nicht ausklammern können. Ohne eine dauerhafte Befriedung dieses Konfliktes ist in der Region kein Frieden möglich!

 


[1]      https://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Abruestung/Nukleares/ NVV.html

[2]      https://www.mayorsforpeace.de/inhalt/OpedINF20German.pdf

[3]      https://www.tagesschau.de/ausland/gachtgipfeljapan12.html

[4]      https://de.wikipedia.org/wiki/Al-Kibar-Reaktor

[5]      Egmont R. Koch: Atomwaffen für Al Qaida. ‘Dr. No’ und das Netzwerk des Terrors. Berlin: Aufbau-Verlag, 2005

[6]      https://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/;art122,2341727

[7]      https://uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Atomwaffen/mellenthin/html

[8]      Die Urenco-Gruppe ist eine Gesellschaft britischen Rechts mit Sitz in den Niederlanden. Sie beschäftigt sich mit der Uran-Anreicherung sowie der Produktion von Urananreicherungsanlagen

[9]      https://www.welt.de/print-welt/article161080/Musharraf_Khan_lieferte_Nordkorea_Zentrifugen.html

[10]     https://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15829/1.html

[11]     https://www.heise.de/tp/r4/artikel/14/14383/1.html

[12]     https://www.welt.de/politik/ausland/article4088050/Israel-steht-vor-einer-schweren-Entscheidung.html

[13]     https://www.atomwaffena-z.info/atomwaffen-heute/atomwaffenstaaten/israel/index.html

[14]     https://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15829/1.html

[15]     https://www.stern.de/politik/ausland/:Mordechai-Vanunu-Der-Mann,-Israel/522952.html

[16]     https://www.kritische-stimme.de/Vermischtes/greenleft_waffen.htm

[17]     https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/1213/meinung/ 0013/index.html

[18]     https://www.heute.at/news/welt/G8-Staaten-setzen-Iran-Atom-Deadline;art414,70990

[19]     https://www.stern.de/politik/ausland/:Irans-Atomwaffenprogramm-In-Monaten-Bombe/7 06266.html

[20]     https://www.tagesschau.de/ausland/meldung147066.hmtl

[21]     https://de.wikipedia.org/wiki/Iranisches_Atomprogramm

[22]     https://www.stol.it/Artikel/Politik/Iran-hat-in-sechs-Monaten-die-Atombombe

[23]     https://www.stern.de/politik/irans-urananreicherung-alarmiert-den-westen-1510971.html bzw.https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,651202,00.html

[24]     SZ, 14.,15. April 2012: “Nuklearer Grillanzünder”

[25]     https://www.zeit.de/politik/ausland/2012-02/iran-atombombe-geheimdienst

[26]     https://www.zeit.de/politik/ausland/2012-02/iran-atomprogramm-iaea

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Demonstration Unterschriftskampagnen gegen Atomenergie

Keine Hermesbürgschaften für AKWs

urgewalt – Onlineprotest: Mit mir nicht Frau Merkel!

Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, werden wir 2012 alle klammheimlich zu Atom-Bürgern gemacht. Deswegen sind jetzt massive Proteste angesagt. 

Geplant mit deutschen Bürgschaften:

  • Indien, Jaitapur: Geplanter Bau von 2-6 Europäischen Druckwasserreaktoren (EPR) in Erdbeben-Hochrisikozone (92 Erdbeben seit 1985). Erbitterter Widerstand vor Ort. Status: Bürgschaft angefragt.
  • China, Haiwei: Atomkritiker in China leben gefährlich und riskieren Gefängnis und Arbeitslager. China will in den nächsten Jahren 50-60 neue Atomreaktoren bauen. Vor Fukushima hatte die Bundesregierung bereits mehrere Bürgschaften für Zulieferungen für chinesische AKWs übernommen. Status: Antrag auf Bürgschaft gestellt.
  • Brasilien, Angra 3: Bau eines veralteten AKW an einem Standort, der immer wieder von massiven Erdrutschen heimgesucht wird und im Ernstfall nicht zu evakuieren ist. Die brasilianische Atomaufsicht gilt als extrem lasch: Zwillingsmeiler Angra 2 lief 10 Jahre ohne gültige Betriebsgenehmigung. Status: Antrag auf Bürgschaft gestellt, Verhandlungen laufen.
  • Großbritannien, Wylfa: In Wales sollen 3 Reaktorblöcke von einem Konsortium aus E.ON und RWE gebaut werden. E.ON warnte vor zu viel Erneuerbaren-Förderung in Großbritannien, da das schlecht fürs Atomgeschäft sei. Status: Bürgschaft angefragt.
  • Finnland: Pyhäjoki: Mit Hilfe von E.ON soll im Norden Finnlands ein AKW in einem hochempfindlichen Naturschutzgebiet gebaut werden. Status: Bürgschaft angefragt.

Mit mir nicht Frau Merkel!

Jetzt online protestieren!

https://urgewald.org/protestaktion/atombuerger/danke?sid=2763

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Akualisierungen des Buches Hintergründe Störfälle

Update Atomenergie und -politik, 25.12.2011

„Endlager“ I: Gorleben – Gasexplosion möglich

Explosives Erdgas lagert unter dem geplanten Atommüllendlager im Salzstock Gorleben. Tektonische Störungen im Gestein können dazu führen, dass das Gas nach oben entweicht. Nach der Analyse von Ulrich Kleemann (Link Studie), der bis April 2010 als Abteilungsleiter im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für die Endlagerung zuständig war, ist diese Gefahr ernst zu nehmen, der Salzstock scheidet seines Erachtens damit endgültig aus.

Als Gründe wird genannt:

  • Im Endlagerbereich dürften keine aktiven Störungszonen vorliegen, da Bewegungen an solchen Zonen die Unversehrtheit der geologischen Barriere gefährdeten.
  • Ein Dokument aus den Archiven der DDR belegt, dass im Bereich Gorleben vermutlich erhebliche Mengen Erdgas im Salz lagern. Etwa 15 Kilometer in südwestlicher Verlängerung des Salzstocks befand sich in der Altmark bei Salzwedel die größte Erdgaslagerstätte der DDR.
  • Auch fehle über dem Salzstock eine schützende Tonschicht.

Einbezogen wurden auch vier von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR, die für die geologische Bewertung der Erkundung in Gorleben zuständige Behörde) in den Jahren 2007 bis 2011 veröffentlichten Berichte zu den Erkundungsergebnissen in Gorleben aus

Die BGR weist die Vorwürfe zurück. Es sei verwunderlich, dass Herr Kleemann während seiner Amtszeit als zuständiger Fachbereichsleiter des BfS nie die jetzt von ihm geäußerten Vorwürfe ausgesprochen habe.

(Text gekürzt, Quelle: Der Spiegel – 13.12.2011, Link)

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Kritik an Gorlebenpolitik der Grünen

Die BI Lüchow – Dannenberg bekräftigt die BI ihre Kritik an der Konsenslinie der Grünen, die nach der Zustimmung zum „Atomausstieg light“ der Bundesregierung auch in der Endlagerfrage sich mit einem Baustopp in Gorleben begnügen, statt den Weg für eine wirklich offene Atommülldebatte durch den Verzicht auf unhaltbare Standorte wie Gorleben frei zu machen. In einem Interview mit dem niedersächsischen Radiosender FFN hat Jürgen Trittin diese umstrittene Haltung der Grünen verteidigt. Ehmke: „Von einer Oppositionspartei erwarten wir mehr als einen Parteienkonsens, der die Forderungen der Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung ignoriert.“

(Quelle: Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow – Dannenberg e.V., 9.12.2011)

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„Endlager“ II: Franzosen arbeiten mit Hochdruck an Atommüll-Endlager

Bure in Lothringen soll das Endlager der radioaktiven Abfälle der 58 französischen Atomreaktoren werden. Begonnen wurden die Bohrarbeiten in Bure bereits 1994. Sechs Jahre später wurde in rund 500 Metern Tiefe ein „Forschungslabor“ eingerichtet – ein etwa 500 Meter langer, 4,5 Meter hoher und 3,5 Meter breiter Tunnel. Hier untersuchen Geologen, Chemiker und Physiker die Eignung der etwa 130 Meter dicke Lehmschicht für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen. Vor allem wurde geprüft, wie die Lehmschicht auf Hitze reagiert.

Im Lager bei Bure soll in einem Gebiet von rund 30 Quadratkilometern der Müll demnach über vier Schächte ein und einen fünf Kilometer langer, schräger Tunnel unter Tage gebracht werden. Das Spaltmaterial aus abgebrannten Kernbrennstäben wird in Glaskokillen eingeschweißt und anschließend in 40 Meter langen Metallrohren verpackt. Für die Lagerung dieser Rohre werden unterirdische Gänge gegraben – nach bisheriger Planung rund 200 Kilometer.

Nach bisheriger Planung könnte der erste Atommüll ab 2025 in Bure landen. Zuvor ist 2013 eine öffentliche Anhörung geplant. „Noch ist nichts entschieden“, allerdings sind in das „Forschungslabor“ mit seinen derzeit rund 320 Mitarbeitern schon „Millionen von Euro“ investiert worden. Außerdem sei Bure der einzige Standort in Frankreich, der untersucht werde. Die Kosten für das Endlager waren zunächst auf 15 Milliarden Euro kalkuliert,  mittlerweile könnten neue Sicherheitsnormen die Kosten in die Höhe treiben – auf bis zu 35 Milliarden Euro.

(Text gekürzt, Quelle; Wirtschaftsblatt 22.11.2011 | 07:28: Link)

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Schnelles Vergessen …

Direkt nach der Katastrophe in Japan stieg das Verbraucherinteresse an grünem Strom rasant an. Im April 2011 haben sich 80% der Verbraucher, die bei Verivox Unterlagen für einen Stromanbieterwechsel angefordert  haben, für einen Ökostromtarif interessiert. Dieser Anteil begann jedoch bereits im Mai wieder zu sinken und lag im November 2011 nur noch bei 45%. Damit ist der Anteil der Ökostromanfragen wieder auf das Niveau von November 2010 gesunken.

Neun Monate später hat sich die Situation in Japan  nicht wesentlich verbessert. Nach wie vor strömt radioaktiv belastetes Wasser ins Meer und rund 8 Prozent der Landfläche Japans – eine Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens – gelten als verstrahlt. In Deutschland  hingegen ist wieder Normalität eingekehrt. Sowohl die Großhandelspreise für Strom als auch das Interesse der Verbraucher an Ökostrom sind auf das Niveau vor der

Atomkatastrophe zurückgekehrt.

(Quelle: Verivox)
Zum Wechsel des Stromanbieters sein auf die „Fallstricke“ hingewiesen …

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IPPNW-Presseinformation vom 11.11.2011

Radioaktive Emissionsspitze zu Revisions-Beginn des Atomkraftwerks Gundremmingen

Das zwischen Ulm und Augsburg gelegene Atomkraftwerk Gundremmingen hat zu Beginn der Jahresrevision im September sehr viel mehr radioaktive Edelgase abgegeben als im vorherigen Leistungsbetrieb. Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW lag die Emissions-Konzentration des Atomkraftwerks vor der Revision in der Größenordnung von drei Kilo-Becquerel pro Kubikmeter (kBq/m3). Zu Beginn der Revision nahmen die Emissionen schlagartig in extremer Weise zu und erreichten am Spätnachmittag und Abend des 22. September eine Größenordnung von mehr als 700 kBq/m3 mit einem Maximalwert von 1.470 kBq/m3 um 17.30 Uhr. In den Folgetagen zwischen dem 23. und dem 29. September wurden mit durchschnittlich 106 kBq/m3 noch immer wesentlich mehr radioaktive Edelgase in die Umwelt abgegeben als im Leistungsbetrieb. Bei einer Revision mit Brennelementewechsel wird der Deckel des Reaktordruckgefäßes geöffnet. Dabei entweichen neben radioaktivem Kohlenstoff weitere Radionuklide, wie Tritium, Jod-131, Cäsium-137 und radioaktive Edelgase.

Bisher sind die Messwerte der radioaktiven Partikel und der radioaktiven Edelgase lediglich in über längere Zeit gemittelten (also rechnerisch nivellierten) Werten veröffentlicht worden. Jetzt liegen – auf Anfragen der IPPNW und der Grünen im Bayerischen Landtag – erstmals ungemittelte Werte zur wissenschaftlichen Auswertung vor. Analysen der IPPNW und des Nürnberger Wissenschaftlers Dr. Alfred Körblein zeigen, wie dramatisch die Emissionen zu Beginn der diesjährigen Revision in Gundremmingen angestiegen sind. „Im Maximum erreicht die Edelgaskonzentration das 500-fache des Normalwerts“, betont Körblein.

Die IPPNW warnt vor den wahrscheinlichen gesundheitlichen Folgen solcher Emissionsspitzen. „Besonders gefährdet sind ungeborene Kinder im Mutterleib. Schwangere Frauen nehmen in den Betriebsphasen mit geöffnetem Reaktordruckgefäß mit der Atmung mehr radioaktive Nuklide auf als sonst“, so Reinhold Thiel, Vorstandsmitglied der IPPNW. „Über die mütterliche Blutbahn und die Placenta gelangen dann die strahlenden Substanzen zum ungeborenen Kind.“ Bestimmte strahlensensible Gewebe des Embryos oder des Feten können in solchen Phasen laut Thiel geradezu radioaktiv „markiert“ werden („labelling“). Dazu gehören die embryonalen Stammzellen des blutbildenden Systems, was später zu Leukämie führen könne.

Dies erklärt plausibel die Ergebnisse der 2007 veröffentlichten Kinderkrebsstudie des Mainzer Kinderkrebsregisters“, so Thiel. Diese hatte bewiesen, dass Kleinkinder, die in der Nähe von Atomkraftwerken wohnen, ein höheres Erkrankungsrisiko für Krebs und Leukämie haben, als vergleichbare Kleinkinder, die weiter von Atomkraftwerken entfernt wohnen. „Für eine vernünftige wissenschaftliche Auswertung zum Schutz ungeborener Kinder, brauchen wir jetzt von allen Atomkraftwerken ungemittelte Halbstundenwerte aller radioaktiven Abgaben„, fordert Thiel. „Diese Werte wurden bisher von den Aufsichtsbehörden und den Atomkraftwerksbetreibern wie Betriebseigentum behandelt und trotz mehrfacher Nachfragen lediglich in gemittelter Form zur Verfügung gestellt.“

(Quelle: IPPNW)

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Rückbau des Kernkraftwerk Rheinsberg

Gleich nach der Wende abgeschaltet, wurden die ostdeutschen Kernkraftwerke – unfreiwillig – zu Vorreitern für den nun beschlossenen Atomausstieg. Gerade hat die Internationale Atomenergie-Agentur angeregt, die Rheinsberger Erfahrungen sogar weltweit zu nutzen. Schon jetzt viel länger und teurer als geplant, lässt der Abriss des kleinen Kernkraftwerkes 60 Kilometer nördlich von Berlin ahnen, was in den nächsten Jahrzehnten auf Deutschland zukommt.

Fernbedient und unter Wasser – ein Reaktor wird zerlegt
Der Aufbau des Meilers in den 1960er Jahren hat gerade mal sechs Jahre gedauert. Ein alter Film erzählt von der Euphorie des Anfangs. Nun wird schon seit 16 Jahren „rückgebaut“. 2001 kam das Gefährlichste weg, die Brennelemente in Castoren. Dann begann das mühsame Ausbauen des Reaktors. Nur mit selbst entwickelter Spezialtechnik und unter Wasser konnten die radioaktiven Teile zerlegt werden. Der 120 Tonnen schwere und 11 Meter lange Reaktordruckbehälter wurde, ein Novum, als Ganzes herausgezogen und ins Zwischenlager gebracht.

Wohin mit dem strahlenden Müll?
Meistens sind es blaue Container, die mit strahlender Fracht von Rheinsberg aus Richtung Ostsee rollen, ins Zwischenlager Nord bei Lubmin. Dort sollen die Teile abklingen, werden weiter zerlegt und dekontaminiert. Auch die Rheinsberger Brennelemente liegen in Lubmin. Wie lange, hängt davon ab, wann die umstrittene Endlager-Frage geklärt ist. Der Salzstock bei Gorleben? Jetzt will die Bundesregierung die Suche nach einem Friedhof für hochradioaktive Abfälle ganz neu beginnen. Vielleicht auch in Brandenburg?

(Quelle: „OZON unterwegs“-Sendung am 05. Dezember 2011, um 22.15 Uhr sowie am 06. Dezember 2011, um 08.35 Uhr)

Eine Anfrage der Grünen zum Thema finden Sie hier.

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Vattenfall verklagt Deutschland

Der Vattenfall-Konzern zieht gegen die Schließung seiner Kernkraftwerke in Deutschland vor Gericht. Noch vor Weihnachten wollte das Unternehmen die Bundesrepublik vor dem Washingtoner Schiedsgericht für Investitonsstreitigkeiten (ICSID) wegen des Atomausstiegs auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen.

Vattenfall hat im Entschädigungspoker gute Karten. Als ausländischer Konzern kann sich das schwedische Unternehmen auf die Investitionschutzregeln des internationalen Energiecharta-Vertrages (ECT) berufen. … Der Energiecharta-Vertrag schützt ausländische Investoren in den Unterzeichnerländern vor Eingriffen in Eigentumsrechte. … Aus Sicht des Unternehmens hat die Bundesregierung mit ihren Beschlüssen zum Ausstieg aus der Kernkraft Vermögenswerte vernichtet. Im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung habe man in die beiden Meiler Krümmel und Brunsbüttel 700 Millionen Euro investiert. …

Vattenfall musste im Fall (des Kohlekraftwerkes) Moorburg nicht lange auf Entschädigung warten. Im August 2010 legten beide Seiten den Streit bei, ohne das Verfahren zu Ende zu bringen. Über die Höhe der Zahlung der Bundesrepublik an Vattenfall wurde Stillschweigen vereinbart. Insider sagen, Vattenfall könne das Ergebnis als „vollen Erfolg“ verbuchen.

In der Branche heißt es, Vattenfall strebe eine ähnliche Lösung auch im Fall der Kernkraftwerke an. Vattenfall hat das Vorgehen mit Eon abgestimmt. Am Reaktor Krümmel sind Eon und Vattenfall zu jeweils 50 Prozent beteiligt, in Brunsbüttel liegen 66,7 Prozent bei Vattenfall und 33,3 Prozent bei Eon. In beiden Fällen hat Vattenfall die Betriebsführerschaft inne. Unabhängig von dem Schiedsgerichtsverfahren strebt Vattenfall wegen des Atomausstiegs eine Verfassungsbeschwerde an. Auch RWE und Eon hatten angekündigt, sie wollten vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

(Quelle: Handelsblatt)

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Verlagerung der AKW-Rückbaukosten auf den Steuerzahler?

Von der Investmentbank Lazard wurde ein streng vertraulicher Plan erarbeitet. Er sieht eine Atomstiftung vor, die es den Versorgern ermöglichen soll, bis zu 50 Milliarden Euro in erneuerbare Energien zu investieren.

Nach dem Vorschlag könnten die Konzerne ihre Meiler in eine staatliche Stiftung einbringen. Die Risiken, die sie an die Stiftung abgeben, liegen bei etwa 28 Milliarden Euro. Im Gegenzug müssten sie ihre gesamten Atomstrom-Einnahmen aus den verbleibenden Meilern bis 2022 bei der Stiftung abliefern. Die Summe beläuft sich auf circa 15 Milliarden Euro.

Die Differenz von 13 Milliarden Euro gleicht der Staat aus – im Gegenzug erhält er Schuldscheine der ehemaligen Atomkonzerne. Die Unternehmen können diese Forderungen nur gegen Investitionen in erneuerbare Energien ablösen.

Beispiel: Wenn ein Konzern beispielsweise zwei Milliarden Euro in einen Offshore-Windpark investiert, der sich eigentlich nur bei Kosten von 1,8 Milliarden Euro wirtschaftlich betreiben ließe, könnte das Unternehmen die Differenz von 200 Millionen verrechnen. So wird nicht die Gesamtinvestition erstattet, sondern nur der Teil, der nach heutigem Stand der Technik unwirtschaftlich ist. Im aktuellen Beispiel kann der Konzern Schuldscheine über 200 Millionen Euro ablösen.

… Die Konzerne kämpfen um ihre Kreditwürdigkeit. Eon wurde von der Ratingagentur Moody’s mit Blick auf den Atomausstieg abgestraft, die Einstufung von A2/Prime-1 auf A3/Prime-2 zurückgenommen. Damit liegt Eon nur noch knapp im A-Bereich. Hauptkonkurrent RWE war schon im Sommer entsprechend heruntergestuft worden. Mit einem Rating im „B“-Bereich wird für die Energiekonzerne nicht nur die Kapitalbeschaffung teurer. Handelspartner pochen schließlich auf eine gute Bonität, viele setzen ein „A“-Rating in den teuren Geschäften voraus.

… Nur wenige Führungskräfte aus der Energiebranche und Politiker sind eingeweiht. Nach Informationen des Handelsblatts arbeitet die Investmentbank Lazard aber schon seit Wochen auf eigene Initiative an einem entsprechenden Modell. Vertreter von Lazard wollten sich auf Anfrage nicht äußern. Als Vorbild für die Pläne dient die Ruhrkohle-Stiftung.
(Quelle: Handelsblatt, 06.10.2011, „Ein Geheimplan für die AKW-Betreiber“)

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Irritierende Strahlungswerte über Europa

Mitte November über an etlichen Stellen in Europa zwar geringe, aber deutlich überhöhte Strahlungswerte, offenkundig verursacht durch radioaktives Iod-131, gemessen. Das meldet die Internationale Atomenergiebehörde

IAEA. Neben Tschechien gab es auch Meldungen aus Österreich, Ungarn und Deutschland. Da das Iod eine sehr kurze Halbwertszeit von nur etwa 7 Tagen hat, muss es erst wenige Tage zuvor entstanden sein. Die teilweise vermutete Quelle „Fukushima“ schied damit schnell aus. Aufgrund der lokalen Verteilung der Messwerte wurde dann eine Quelle in Südosteuropa vermutet. Vermutet wurde, es könne sich dabei um entwichenes Material bei der Herstellung von medizinischen Produkten, z.B. Kontrastmittel, aus den südosteuropäischen Staaten handeln. Letztlich wurde eine Quelle in Ungarn vermutet.

(Quelle: u.a. SZ vom 11.11.2011: „Radioaktive Strahlung über Europa“)

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„Gnade“ für Atomschmuggler

Vor einem Schweizer Gericht läuft derzeit ein eigentümlicher „Deal“: Friedrich, Urs und Marco Tinner, angeklagt „das illegale Kernwaffenprogramm eines unbekannten Staates“ gefördert zu haben, werden wohl mit einer geringen Haftstrafe davon kommen. Belegbar sind offenkundig engste Kontakte zum Netzwerk Kadir Khans. „Aufgrund der Geständnisse der Beschuldigten findet in der Hauptverhandlung kein Beweisverfahren statt“. Damit bleibt auch die undurchsichtige Rolle des CIA im Dunkeln. Die Schweizer Regierung hatte im November 2007 angeordnet, die bei der Festnahme der Tinners beschlagnahmten Beweise zu vernichten. Dummerweise wurden damit auch Beweise zugunsten der Angeklagten vernichtet, was jetzt auch zum milden Urteil führte.

Die lächerliche Begründung war, die Unterlagen hätten Baupläne für Sprengköpfe enthalten und die Schweiz sei aufgrund des Atomwaffensperrvertrages nicht berechtigt, solche Informationen zu besitzen! Allerdings hätten die USA damals „massiv Druck ausgeübt“, so die SZ. Mindestens ein Mitglied der Familie Tinner (Urs) habe zwischen 1999 und 2003 für den CIA gearbeitet und dabei Hinweise geliefert, die der CIA und dem MI6 im Herbst 2003 den Zugriff auf eine Lieferung mit Atomtechnik für Gaddafi in Italien ermöglichten. Folge war die Kehrtwendung des geläuterten Gaddafi und sein Ausstieg aus dem Streben nach der Bombe.

(Quelle: SZ, 15.12.2011: „Atomschmuggel bleibt im Dunkel“)

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Frankreichs Atommeiler sind nicht sicher genug

Stresstest sieht Mängel bei Notstromversorgung und bei der Kühlung der Anlagen

Frankreich muss alle seine 58 Atomkraftwerke aus Sicherheitsgründen nachrüsten. Das ist das Ergebnis des Stresstests, den das französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) nach der Atomkatastrophe in Fukushima übernommen hat. Die am Donnerstag veröffentlichte Untersuchung hat an sämtlichen Meilern Mängel offengelegt. …

Die Behörde hat ihren 500-seitigen Bericht der Atomaufsicht ASN übergeben. Auf der Basis der Ergebnisse will diese bis Anfang 2012 Empfehlungen für die Regierung ausarbeiten.

Repussard plädierte für eine zusätzliche Sicherheitsstufe. Alle Reaktoren müssten mehr aushalten können, als man bei ihrem Bau angenommen habe. Das IRSN fordert einen Diesel-Generator für die Notstromversorgung, der auch einer Überschwemmung standhält. Zudem seien wichtige Rohre nicht erdbebensicher. Bemängelt werden auch zu geringe Wasservorräte, um im Notfall die Kühlung zu gewährleisten. Schon im Normalbetrieb fehlt vielen französischen Atomkraftwerken Kühlwasser. Nach Angaben des Geologischen Forschungsbüros in Frankreich liegen die Grundwasserspiegel im ganzen Land derzeit unter dem Durchschnitt. Ein besonderes Problem stellen nach dem Expertenbericht die ältesten Atomkraftwerke Frankreichs dar. An diesen Standorten wurden jeweils zwei Reaktoren errichtet. Beim Ausfall eines Meilers sollte die Infrastruktur des zweiten genutzt werden. Doch es wurde nie erwartet, dass beide gleichzeitig ausfallen könnten. …

(Quelle: Tagesspiegel)

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Bericht der saarländischen Landesregierung zum Stresstest im AKW Cattenom

In Folge des Unfalls in Fukushima hat sich die EU entschieden, einen Stresstest für alle Kernkraftwerke durchzuführen. Die Stresstests werden in nationaler Verantwortung durchgeführt und anschließend von einer internationalen Peer-Review-Gruppe begutachtet. Unabhängig davon hat der französische Premierminister Francois Fillon die französische Atomaufsichtsbehörde ASN am 23. März 2011 aufgefordert, die französischen Kernkraftwerke einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen.

Der Stresstest ist eine Untersuchung, die ergänzend zu den bereits bestehenden Sicherheits-Standards durchgeführt wird, d.h. es werden keine Prüfungen durchgeführt, die vorher schon Bestandteil von Aufsichts- und Genehmigungsverfahren waren. Ziel des Stresstests ist es, die Reaktionsmöglichkeiten des jeweiligen Kernkraftwerkes und seiner Betriebsmannschaft auf außergewöhnliche, auslegungsüberschreitende Ereignisse zu prüfen. Aus Sicht der EU-Kommission soll verhindert werden, dass ein ähnlicher Unfall wie in Japan auch in Europa passieren kann. Eine der wichtigsten Lehren dieser Katastrophe ist es aus Sicht der EU-Kommission, dass zwei Naturkatastrophen gleichzeitig eintreten und die Stromversorgung eines Kernkraftwerkes vollständig außer Betrieb setzen können.

Am 1. Juni 2011 hat die französische Aufsichtsbehörde ASN die Kernkraftwerksbetreiber aufgefordert, einen Bericht zu den Themenfeldern des Stresstestes bis zum 15. September abzuliefern. Das AKW Cattenom hat fristgemäß einen 390-seitigen Bericht der ASN übersandt. Der Bericht liegt uns vor und wurde von unserem Beobachter analysiert.

Bereits nach einer ersten Analyse des Betreiberberichtes des KKW Cattenom haben die Länder Luxemburg, Rheinland-Pfalz und Saarland mit Unterstützung des beauftragen Stresstest-Beobachters Dieter Majer eine vorläufige Liste mit Anmerkungen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, erstellt. Es ging dabei u.a. um:
– Probleme mit Schaltwarte und Notsteuerstelle;
– Aspekte zur Erdbebensicherheit;
– Aspekte zur Kombination von Überschwemmungsereignissen.

Aus Sicht des Beobachters sind wichtige Mängel des EDF-Berichts, auf die er die französischen Behörden hingewiesen hat, nicht hinreichend in die Empfehlungen der französischen Expertengruppen eingeflossen. So wurden die Folgen bei einer Beschädigung des Containments, wie er z.B. durch einen Flugzeugabsturz erfolgen kann, nicht berücksichtigt. Auch die Robustheit der Kühlwasserversorgung bei Naturkatastrophen wurde nicht ausreichend gewürdigt. Außerdem sind die von dem Betreiber vorgeschlagenen Fristen für weitere Analysen und für die Behebung von erkannten Mängeln deutlich zu lang.

Ende April 2012 werden die nationalen Ergebnisberichte einem Peer-Review Verfahren durch die EU unterzogen werden. Im Juni 2012 sollen die endgültigen Ergebnisse auf europäischer Ebene veröffentlicht werden.

Bericht der Landesregierung zum Stresstest

Zwischenbericht Stresstest Cattenon

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Frankreichs AKWs sind sicher …?

Neun Mitgliedern von Greenpeace ist es gelungen, unbehelligt und ohne jede Gewaltanwendung das Gelände des Atomkraftwerks Nogent-sur-Seine, rund hundert Kilometer südöstlich von Paris, zu betreten und auf die Betonkuppel der Anlage zu klettern. Dort befestigten sie ein Spruchband mit der Aufschrift „Sichere Atomkraft existiert nicht“. Sie wurden erst zwei Stunden später von der Gendarmerie festgenommen. …

Die Behörden bestätigten, dass Aktivisten von Greenpeace versucht hätten, mindestens in drei andere Atomanlagen einzudringen: in den AKWs von Blayais (Gironde) und Chinon (unweit des Loire-Tals) und in das nukleare Versuchszentrum von Cadarache in der Provence. Dort hätten sie ebenfalls Spruchbänder entfaltet, um gegen die mangelnde Sicherheit der AKW zu protestieren. Das wurde später vom Energiekonzern Electricité de France (EDF) in einer Mitteilung bestätigt, in der präzisiert wird, die Eindringlinge seien „sofort entdeckt“ worden und hätten unter ständiger Beobachtung gestanden. Die Sicherheitsverantwortlichen hätten beschlossen, gegen sie „keine Gewalt anzuwenden“.

… Terror-oder Sabotageakte sind […] nach Ansicht von Greenpeace-Sprecherin Sophia Majnoni bisher aus den Schutzplänen ausgeklammert worden, damit die AKW offiziell als sicher deklariert werden können.

(Quelle: TAZ, 05.12.2011)

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EU-Kommissar Oettinger setzt auf Kernkraft-Ausbau

Die EU-Kommission will 40 neue Kraftwerke allein bis 2030. Der deutsche Kommissar Günther Oettinger treibt das Projekt voran. Ungeachtet des beschleunigten deutschen Atomausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima will der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger an der Kernkraft festhalten und macht sich sogar für den Neubau von Atomkraftwerken stark. Im Entwurf für den „Energiefahrplan 2050“ der EU bezeichnet die Kommission die Atomkraft als „wichtigen Faktor“. Details sehen der Szenarien den Neubau von 40 Kernkraftwerken allein bis 2030 vor.

(Quelle: SZ, 09.12.2011, „Brüssel ignoriert deutsche Energiewende“)

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Belgien steigt ab 2015 aus …

Die zukünftige belgische Regierung einigt sich darauf, ein Gesetz aus dem Jahr 2003 zu bestätigen. Demnach sollen die sieben belgischen Atommeiler vom Netz gehen.

Belgien will von 2015 an aus der Atomkraft aussteigen. Darauf haben sich die Verhandlungspartner der künftigen Regierungskoalition geeinigt und damit ein lange in Frage gestelltes Gesetz aus dem Jahr 2003 bestätigt. Die sieben Atommeiler sollen nach und nach abgeschaltet werden. So sollen die ersten drei AKW 2015 vom Netz gehen, allerdings nur, wenn die Energieversorgung gesichert ist. Sonst bleiben sie länger im Betrieb.

Die neue Regierung soll noch die genauen Daten festlegen und in den kommenden Monaten einen Plan zur Energieversorgung des Landes ausarbeiten, erklärten die Verhandlungspartner.

Mit dieser Entscheidung bestätigen die sechs Parteien ein Gesetz, das bereits aus dem Jahr 2003 stammt. Damals hatte die belgische Regierung einen langsamen Atomausstieg für die Zeit zwischen 2015 und 2025 beschlossen, der später mit Verweis auf die Energieversorgung wieder in Frage gestellt worden war.

(Quelle: Morgenpost, 31. Oktober 2011)

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… Großbritannien nicht: E.on und RWE treiben AKW-Neubau voran

Mindestens fünf oder sechs neue Kernkraftwerke wollen E.on und RWE in Großbritannien bauen – doch es gibt Zweifel, ob sich das noch finanzieren lässt. RWE teilte mit, das gemeinsame Konsortium Horizon Nuclear Power habe umgerechnet rund 230 Millionen Euro für eine Fläche in Wales gezahlt, auf der mehrere Meiler errichtet werden sollen. Eine Investitionsentscheidung für den Bau der Anlagen ist allerdings weiter nicht absehbar.

… Gebäude sollen abgerissen werden und auch der Naturschutz nicht zu kurz kommen. Für einige Fledermäuse müssen neue Schlafplätze gefunden werden. Die beiden größten deutschen Energiekonzerne hatten angekündigt, bis 2025 fünf oder sechs Atomkraftwerke in Großbritannien zu bauen. In Wylfa sollen Meiler mit einer Leistung von 3,3 Gigawattt hochgezogen werden, der erste soll um das Jahr 2020 ans Netz gehen. Einen weiteren Standort haben sich die Konzerne Oldbury-on-Severn im Südwesten Englands gesichert.

Die Überlegungen stammen noch aus der Zeit vor dem beschleunigten Atomausstieg in Deutschland, als die Versorger wesentlich besser dastanden. Seitdem sind Zweifel an der Umsetzbarkeit der Pläne laut geworden, für die die Konzerne bis zu 17 Milliarden Euro investieren wollen.

… Die „Financial Times“ hatte berichtet, Horizon Nuclear Power verhandele über eine Finanzspritze von bis zu fünf Milliarden Euro. Im Gegenzug könnte der Partner mit 25% beteiligt werden. …

(Quelle: Spiegel Online, 28. Oktober 2011)

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Tschechische Regierung setzt auf Atom

Die rechtskonservative Regierung unter Petr Nečas will Tschechien zur Nuklearnation Nr. 1 in Europa machen, mit dem Bau zehn neuer Atomkraftwerke. Dabei hat weder die tschechische Regierung noch der Atomkonzern CEZ die Finanzkraft dafür.

Gleichzeitig bereitet die tschechische Regierung das Abwürgen des Ausbaus der  Erneuerbaren Energien vor. Das Fundament der Ausbaupläne für die Atomkraft ist die irrige Annahme, dass vor allem Deutschland nach dem Atomausstieg den angeblich billigen Atomstrom aus Tschechien einkaufen würde. Ich habe in meinem Besuchen in Prag immer wieder darauf hingewiesen, dass es dafür in Deutschland keine Bereitschaft und keine Notwendigkeit gibt. Allerdings hat in den tschechischen Medien eine Stellungnahme von Umweltpolitikern aus CDU und CSU aus Deutschland für Aufsehen gesorgt, wonach diese für einen weltweiten Atomausstieg plädieren und damit signalisieren, dass kein tschechischer Atomausbau gebraucht wird.

(Quelle [gekürzt]: Infobrief 23/11, MdB Hans-Josef-Fell, 23.09.2011)

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Weitere Hermes Garantien für AKWs

Deutschland beteiligt sich möglicherweise erneut am Export von Atomtechnik. Für das umstrittene Atomkraftwerk Angra III in Brasilien gibt es bereits eine Grundsatzzusage der Bundesregierung auf eine Exportkreditgarantie. Jetzt gibt es für weitere AKW-Projekte in Schwellenländern entsprechendes Interesse.

Wie das von Philipp Rösler (FDP) geführte Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Grünen, die der taz vorliegt, mitteilte, handelt es sich dabei um geplante Neubauten in China und Indien. Für China liegt demnach ein Antrag im Umfang von 26,1 Millionen Euro für eine „Zulieferung zu einem Neubau eines Kernkraftwerks in Hainan“ vor.

Der französische Atomkonzern Areva, will in Jaitapur sieben Reaktoren mit jeweils 1.600 Megawatt Leistung errichten – in einem Gebiet, in dem es zwischen 1985 und 2005 92 Erdbeben gab. Die Deutsche Bank und die Commerzbank haben nach Angaben von Urgewald eine Finanzierung des Projekts abgelehnt.

(Quelle: https://www.taz.de/!83898/)

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Australien exportiert bald Uran nach Indien

Australien wird demnächst Uran auch nach Indien exportieren. Grundlage dafür ist eine Entscheidung der regierenden Labor-Partei von Ministerpräsidentin Julia Gillard. Auf einem Parteitag revidierten die Mitglieder die bisherige Haltung von Labor: Demnach durfte Uran aus Australien nicht in Länder geliefert werden, die, wie Indien, den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben. Der Export von Uran muss nicht vom Parlament abgesegnet werden.

Australien sitzt auf etwa 40 Prozent der weltweiten Uranvorkommen, aber nur ein Fünftel der weltweit gehandelten Menge des Rohstoffs stammt von dort. In Australien selbst gibt es keine Atomkraftwerke. Nach der Entscheidung von Labor müssen beide Länder nun aber noch entsprechende Verträge unterzeichnen. Daher kann es noch einige Jahre dauern, ehe Indien das erste Uran aus Australien bezieht. Das asiatische Land will pro Jahr rund 2.500 Tonnen des Metalls einführen, um den steigenden Energiebedarf zu decken. In den kommenden 20 Jahren sollen in Indien 30 neue Atomkraftwerke gebaut werden.

(Quelle: Deutschlandfunk, 4. Dezember 2011)

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Atomstrom für Jordaniens Durst

Neue Uranminen im Nahen Osten geplant.

Ab 2013 werde das Königreich im Nahen Osten Uran und ab 2019 Atomstrom produzieren, kündigte Energie- und Bergbau-Minister Khalid Toukan an. Der ausgewählte Standort des ersten jordanischen Reaktors liegt 40 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Amman bei Mafraq. Der Atomstrom soll vor allem den ständig steigenden Wasserbedarf Jordaniens lösen und Energie für ein gigantisches Meerwasserentsalzungsprojekt liefern.

Das Projekt, dessen Herzstück der Bau eines Kanals zwischen Rotem und Totem Meer ist, werde etwa 90% des geplanten 1.000 MW Reaktors verschlingen, um 800 Millionen Kubikmeter Trinkwasser zu liefern.

Mögliche Geldgeber und Konstrukteure sind der kanadische Konzern AECL, das russische Unternehmen Atomstroy Export sowie der japanische Konzern Mitsubishi und Frankreichs Atomenergiegigant AREVA. Der französische Atomkraft- und Uranbergbau-Konzern ist bereits an der ersten Uranmine Jordaniens beteiligt, die in den kommenden zwei Jahren Uran-Oxid (Yellow-Cake) exportieren will. Sie liegt etwa 50 Kilometer südlich von Amman und wird im Tagebergbau betrieben.

Jordaniens Atompläne stoßen allerdings nicht nur auf Wohlwollen bei der Bevölkerung. So demonstriert seit Wochen die Umweltvereinigung Irhamouna – eine Koalition von Aktivisten, Umweltschutzgruppen und Hilfsorganisationen – gegen den geplanten Reaktorbau in Mafraq und Amman.

(Quelle: 03.11.2011, Sonnenseite Franz Alt, nach: Norbert Suchanek 2011 – Journalist und Autor, Internet: www.norbertsuchanek.org)

 

Kommentar: Die Aufrüstung des Nahen Osten in Richtung weitere potentieller Atommächte läuft und ist wohl nur noch aufzuhalten, wenn es wirklich gelingt den saudischen Friedensplan für einen atomwaffenfreien Nahen Osten durchzusetzen. DAS scheint derzeit allerdings aufgrund der Unterstützung der Atommacht Israel durch Europa und USA fast unmöglich. Im Gegenzug werden nach (und wegen!!) Iran weitere Staaten den Besitz von Atomwaffen anstreben: Ägypten und Saudi-Arabien haben dies bereits mehr oder weniger offen angedroht. Die Planungen von Jordanien dürften zumindest im Hintergrund ähnliche Überlegungen beinhalten …

Kategorien
Hintergründe Störfälle

Update 27.07.2011, 01:00 (und zurückliegende Tage ….)

Heute:

  1. Atomfirmen vor Finanz-Super-GAU
  2. Japan: Fukushima und die Atomlobby Schmieren, lügen, tricksen
  3. Verstrahlte Dörfer
  4. Lecks, Brände, Überflutungen: Atomunfälle seit Fukushima
  5. Riesige Uranvorkommen in Indien entdeckt
  6. Atommüll-Ausfuhr in Drittstaaten Brisante Exportware
  7. Osteuropäer setzten auf Atomkraft
  8. … gelöscht
  9. Aus für Japans Schnellen Brüter
  10. Neuer Tschernobyl-Sarkophag kann gebaut werden
  11. Millionen-Zuschuss soll Schäden aus Wismut-Frühzeit beseitigen
  12. AKW-Leiharbeiter – Die Strahlennomaden
  13. GB plant acht neue AKWs
  14. Auch Franzosen wollen keine Atomkraft mehr
  15. Leck im Kühlsystem – Stellungnahme von Dr. Thilo Scholz

 

 

(Wiener Zeitung,  Peter Muzik, 26.07.2011)

Nach der Jahrhundert-Katastrophe in Fukushima steuert die gesamte Branche in eine ungewisse Zukunft

Atomfirmen vor Finanz-Super-GAU

… Das verheerende Erdbeben samt Tsunami in Japan hat den Energiegiganten Tepco massiv erschüttert: Die Tokyo Electric Power Corp., die das Unglück in Fukushima noch immer nicht im Griff hat, schlitterte in das erwartete Finanz-Debakel. Kürzlich musste sie einen Rekordverlust von umgerechnet 8,6 Milliarden Euro eingestehen. Die Entschädigungszahlungen für die radioaktiven Emissionen werden auf bis zu 90 Milliarden Euro geschätzt.

vollständig auf: https://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wzglobalisierung/konjunktur/45070_Atomfirmen-vor-Finanz-Super-GAU.html

 

Kommentar: 90 Milliarden € Schaden nach dem Dreifach-Super-GAU in Japan? Waren die 4.000 Milliarden € von Greenpeace und aus der Schweiz nur Horror-Szenarien? Oder Fukushima doch nicht so schlimm wie getan wird?

NEIN! Die Erklärung ist einfach:

1. setzte die japanische Regierung die Grenzwerte in einer unverantwortbaren Art hoch. Erinnert sei an die 20 mSv/a für Kinder, dem Grenzwert für AKW-Arbeitnehmer in Deutschland. Dieser Grenzwert ist Körpergewicht-abhängig, die Kinder in der Wachstumsphase sind extrem höher gefährdet.

2.  weigert sich zudem die Regierung, die Evakuierungen in dem Maß durchzuführen, wie dies selbst US-Wissenschaftler vorschlagen (s.u.: „Verstrahlte Dörfer“). Vielmehr wird „empfohlen“, Häuser und Wohnungen zu verlassen, was den Vorteil hat, dass die Menschen, die diesen „Empfehlungen“ folgen, dies auf eigne Kosten OHNE Entschädigungen machen.

3. sind die zu zahlenden Entschädigungen so lachhaft gering, dass allein hier die Zahlenverhältnisse offenkundig werden. In einem Land, in einer Region, in der Mieten und Grundstücks-/Haus-Preise durchaus mitteleuropäischen Verhältnissen entsprechen, gab es gerade mal 8.500,- € Entschädigung PRO Haushalt! (mittlerweile wurde um weitere ca. 2.500,- € aufgestockt)

(SZ 26.07.2011, 15:35, Christoph Neidhart)

Japan: Fukushima und die Atomlobby Schmieren, lügen, tricksen

… Von der Tageszeitung Mainichi Shimbun, die ursprünglich gegen die Atomkraft eintrat, ist dokumentiert, wie sie sich für ihren Seitenwechsel mit Anzeigen-Großaufträgen belohnen ließ. Willfährige Redakteure der großen japanischen Zeitungen erhielten Einladungen, zum Beispiel bei Tepco, dem Betreiber der havarierten Meiler, großzügig honorierte Vorträge zu halten. Vollständiger Text auf:

https://www.sueddeutsche.de/politik/japan-fukushima-und-die-atomlobby-schmieren-luegen-tricksen-1.1124577

 

 

(Süddeutsche Zeitung, Printausgabe, 22.07.2011, S. 8, Christoph Neidhart)

Verstrahlte Dörfer

Japan erklärt weitere Gebiete um Fukushima für radioaktiv.

Tokio – Japans Regierung hat am Donnerstag weitere Landstriche jenseits der 20-Kilometer-Sperrzone um Fukushima I für radioaktiv erklärt. Betroffen sind diesmal 59 Haushalte in Minamisoma 40 Kilometer nördlich der AKW-Ruine.  …

(Da die SZ laut ihren Copyrightbedingungen nur das Zitieren von 3 Sätzen erlaubt und der Artikel leider nicht frei erreichbar verlinkt ist, hier ein Link auf einen vergleichbaren Spiegel-Onlineartikel: /Karl-W. Koch)

https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/atomkatastrophe-fukushima-japan-muss-gewaltige-bodenmengen-entsorgen-a-788831.html

 

Passend dazu die Filme auf Youtube:

Japanese government killing its own people in Fukushima und https://www.youtube.com/watch?v=KSvfro1Hwco sowie der wiederum dazu passende Bericht im „Freitag

 

(Contratom, 22. Juli 2011)

Lecks, Brände, Überflutungen: Atomunfälle seit Fukushima

Gut drei Monate ist die Katastrophe in Fukushima erst her, und schon ist die Liste der danach vermeldeten Störfälle in anderen Atommeilern lang. Die Agentur dapd hat die INES-Meldungen (Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse) sowie Zeitungsberichte und die Webseite des Bundesamtes für Strahlenschutz durchforstet.

Auch nach dem Super-GAU in Fukushima am 11. März 2011 sind weltweit zahlreiche – meldepflichtige und nicht meldepflichtige – Atomunfälle registriert worden. Hier ein Auszug:

  • 16.3.2011, Ontario, Kanada: Aus dem Atomkraftwerk entweichen Medienberichten zufolge Zehntausende Liter schwach radioaktives Wasser in den Ontario-See. Ursache sei der Defekt einer Pumpe. Die Betreiberfirma Ontario Power Generation sagt, es handele sich um “normales Wasser mit ein bisschen Radioaktivität”.
  • 18.3.2011, Doel, Belgien: Eine Pumpe für die Wasserzufuhr zur Kühlung des Reaktors 4 der Anlage funktioniert nicht. Die Internationale Atomenergie-Agentur IAEA stuft dies als “Störfall” ein (Stufe 2 auf der INES-Skala).
  • 31.3.2011, Brunsbüttel, Deutschland: Im Antriebssystem einer Kühlpumpe war ein Leck, teilen Betreiber Vattenfall und das für die Atomaufsicht zuständige Justizministerium Schleswig-Holstein mit.
  • 8.4.2011, Fessenheim, Frankreich: Block 1 der Anlage wird nach einem Bedienungsfehler heruntergefahren.
  • 15.4.2011, Dukovany, Tschechien: Reaktorblock 4 wird wegen einer Panne abgeschaltet. Der Grund war eine undichte Stelle im primären Kühlkreislauf.
  • 18.4.2011, Surry, USA: Nach einem Tornado fällt die externe Stromversorgung aus. Zwei Reaktorblöcke fahren automatisch herunter. Die Stromaggregate laufen im Notbetrieb.
  • 28.4.2011, Ascó, Spanien: 25.000 Liter radioaktives Kühlwasser entweichen aus dem primären Kühlsystem und laufen in die Sicherheitshülle um den Reaktor. 14 Mitarbeiter kommen dabei laut Betreiber Anav mit dem Wasser in Berührung. Ursache ist angeblich ein defektes Ventil.
  • 7.6.2011, Fort Calhoun, USA: Im Schaltraum bricht ein Feuer aus, die Kühlung des Abklingbeckens für gebrauchte Brennstäbe ist 90 Minuten lang unterbrochen.
  • 14.6.2011, Stamboliysky, Bulgarien: In einer Fabrik zur Bestrahlung mit Gamma-Wellen werden vier Arbeiter radioaktiv verstrahlt. Provisorisch als Ernster Störfall (INES 3) eingestuft.
  • 27.6.2011, Los Alamos, USA: Das Atomforschungszentrum, in dem während des Zweiten Weltkriegs die erste Atombombe entwickelt wurde, wird wegen schwerer Buschbrände evakuiert. Auf dem Gelände lagern radioaktive Stoffe und Atommüll. Erst am 4.7. wird Entwarnung gegeben: Das Labor sei “offenbar den schweren Schäden entkommen, die das Feuer hätte anrichten können”, sagte der Chef des Nationallabors Charles McMillan in einer Nachricht an die Mitarbeiter.
  • 26.6.2011, Fort Calhoun, USA: Das Hochwasser des Missouri lässt die Dämme rund um das AKW brechen. Wasser dringt ins Turbinenhaus ein. Nach Angaben der Behörden stellt das jedoch “kein Sicherheitsrisiko” dar. Das Kraftwerk war seit April heruntergefahren. Auch das AKW in Brownville ist von der Flut bedroht.
  • 28.6.2011, Torness, Schottland: Quallen aus dem Meerwasser verstopfen das Kühlsystem zweier Reaktoren. Diese werden vorsorglich abgeschaltet. Jedoch sei “zu keinem Zeitpunkt” eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgegangen, sagt der Betreiber EdF später.
  • 2.7.2011, Tricastin, Frankreich: In einem Transformatorgebäude von Reaktorblock 1 bricht ein Feuer aus. Laut Betreiber EdF dient der Transformator dazu, den produzierten Strom in die Stromnetze weiterzuleiten. Radioaktivität sei nicht ausgetreten. Das AKW gilt wegen diverser Störfälle als Pannenreaktor.
  • 19.7.2011, Isar II, Deutschland: Im niederbayerischen Atomkraftwerk Isar II ist im Rahmen der jährlichen Wartung eine Kühlpumpe ausgefallen. Sicherheitsrelevante Auswirkungen habe dies nicht gehabt, teile der Betreiber E.ON mit.

https://www.contratom.de/2011/07/22/lecks-brande-uberflutungen-atomunfalle-seit-fukushima/

 

 

(Focus,  19.07.2011, 11:20)

Riesige Uranvorkommen in Indien entdeckt

… Indien betreibt 20 Atomkraftwerke mit einen Kapazität von 4780 Megawatt.

Indische Geologen haben möglicherweise die weltweit größten Vorkommen an Uranerz entdeckt.

Vollständig auf: https://www.focus.de/finanzen/news/energie-riesige-uranvorkommen-in-indien-entdeckt_aid_647175.html

 

 

 

(SZ, 18.07.2011, 18:18, Cerstin Gammelin, Brüssel)

Atommüll-Ausfuhr in Drittstaaten Brisante Exportware

Fukushima hin oder her: Atommüll aus Europa darf weiter in andere Länder entsorgt werden – egal wie deren Sicherheitsstandards sind. Dass das Ausfuhrverbot scheitert, ist eine weitere große Niederlage für EU-Kommissar Günther Oettinger.

vollständig: https://www.sueddeutsche.de/politik/atommuell-ausfuhr-in-drittstaaten-brisante-exportware-1.1121851

 

 

(Quelle: Süddeutsche Zeitung, 19.07.2011, „Bündnis gegen Atomausstieg“)

Osteuropäer setzten auf Atomkraft

Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei wollen trotz Fukushima am Ausbau der Atomenergie festhalten. Polen und Tschechien einigten sich sogar auf Regierungsebene auf eine diesbezügliche Zusammenarbeit. So soll Temelin (Tschechien) von zwei auf vier Blöcke ausgebaut werden, Polen plant den Neubau von zwei AKWs.

 

 

 

Aus für Japans Schnellen Brüter

Der japanische Wissenschaftsminister Takaki äußerte sich am 15.07.2011 zum Ende des „Schnellen Brüters“ Monju. Das Projekt hat bisher 8 Milliarden € gekostet. Mittlerweile wird eine technische Nutzung frühestens, wenn überhaupt, für 2050 erwartet. (Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 16.07.2011: „Schneller Brüter vor Aus“), s.a.: https://www.japanmarkt.de/index.php/wirtschaft/schneller-bruter-vor-dem-aus/

 

 

(Tagesschau, 13.07.2011)

25 Jahre nach dem Super-GAU

Neuer Tschernobyl-Sarkophag kann gebaut werden

25 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl will die Ukraine mit dem seit langem geplanten Bau eines neuen Sarkophags um den explodierten Reaktor Tschernobyl beginnen.

Nach Angaben von Präsident Wiktor Janukowitsch sind inzwischen genügend Spendenzusagen eingegangen. Die Arbeit an dem 740 Millionen Euro teuren Projekt könne noch in diesem Jahr starten und bis 2015 abgeschlossen sein, teilte das Außenministerium in Kiew mit. Ein Sprecher der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erklärte, internationale Geldgeber hätten bislang 670 Millionen Euro zugesagt. Veranschlagt sind Kosten von 740 Millionen Euro. Der Rest soll in den kommenden Jahren zusammenkommen.

Zwar gebe es weltweit keine Erfahrung mit dem Bau einer solchen Stahlbetonkonstruktion. „Aber wir sind optimistisch, dass die Arbeiten bis 2015 abgeschlossen sein werden“, sagte Oleg Woloschin, der Sprecher des Außenministeriums.

 

Provisorium aus Stahl und Beton bröckelt

Die momentane Schutzhülle aus Beton und Stahl war ursprünglich nur als Provisorium geplant und hat bereits zahlreiche Risse. Experten gehen davon aus, dass nur fünf Prozent des Kernbrennstoffs bei der Explosion vor 25 Jahren freigesetzt wurden. 95 Prozent seien noch im Reaktor. Sollte der alte Betonmantel, der in nur sechs Monaten errichtet wurde, zusammenbrechen, wäre dies eine Gefahr – nicht nur für die Ukraine. … Der letzte Tschernobyl-Meiler ging erst im Jahr 2000 vom Netz.

https://www.tagesschau.de/ausland/tschernobyl184.html

 

 

(Freie Presse, 16.07.2011)

Millionen-Zuschuss soll Schäden aus Wismut-Frühzeit beseitigen

Bis zum Jahre 2022 können weitere Bergbau-Altlasten saniert werden: Die Sanierung von Bergbau-Altlasten aus den Anfangsjahren der Wismut wird auch nach 2012 fortgesetzt. Ein entsprechendes Abkommen werde Anfang September in Berlin unterzeichnet, bestätigte Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP).

Für das Vorhaben, bei dem Freistaat und Bund jeweils die Hälfte der Kosten tragen, gebe es vom sächsischen Kabinett grünes Licht. Nach „Freie Presse“-Recherchen haben sich Bund und Freistaat darauf geeinigt, von 2013 bis 2022 weitere 138 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Damit geben Bund und Land noch einmal deutlich mehr Geld für die Beseitigung solcher Hinterlassenschaften aus, als bereits von 2003 bis Ende 2012. In diesen zehn Jahren werden es in der Summe 78 Millionen Euro sein. …

Auf ein Nachfolgeabkommen drängten Kommunalpolitiker der Region bereits seit 2007. Schon da war klar, dass mit der ersten Vereinbarung von 2003, die im nächsten Jahr ausläuft, nicht alle Früh-Altlasten beseitigt werden können. In 33 Kommunen, vor allem im Erzgebirge und Vogtland, aber auch in Ostsachsen, gibt es rund 1.000 solcher Wismut-Hinterlassenschaften aus den 1940er- und 1950er-Jahren. Es handelt sich durchweg um Objekte und Flächen, die vor 1962 stillgelegt wurden. Deren Sanierung darf nicht aus dem 6,4-Milliarden-Etat finanziert werden, der für die normale Wismut-Sanierung zur Verfügung steht. So regelt es das Wismut-Gesetz von 1991. …

https://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Millionen-Zuschuss-soll-Schaeden-aus-Wismut-Fruehzeit-beseitigen-artikel7704416.php

 

Hier sei zu diesem Thema nochmals auf den hervorragenden Film „Yellow Cake“ hingewiesen.

 

 

(news.de, 17.07.2011, Jan Grundmann)

AKW-Leiharbeiter – Die Strahlennomaden

Wenn ihre jährliche Strahlendosis erreicht ist, werden sie gefeuert: Durch die Kernkraftwerke der Welt ziehen Tausende von Leiharbeitern. Die Strahlennomaden gibt’s in Deutschland, Frankreich und Fukushima. Ein Buch beleuchtet jetzt ihr Schicksal.

„Das geringe Kapital an Millisievert sieht man dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne, das wird zu einer Obsession, man denkt nur noch daran, beim Aufwachen, am Spind, bei der Arbeit lässt man das Dosimeter nicht aus den Augen.“ Die Rede ist von Strahlennomaden, so werden sie in Frankreich genannt. Es geht um Neutronenfutter, so bezeichnet sie die Wirtschaftswissenschaftlerin Elisabeth Filhol.

Die Französin hat einen semidokumentarischen Roman über die AKW-Leiharbeiter in ihrem Land verfasst, der im Atomstaat für Aufruhr sorgte und jetzt in deutscher Sprache erschienen ist. Im Mittelpunkt steht Yann, ein Mitglied des Strahlenproletariats, der seine Gesundheit dafür riskiert, dass Atomstrom billig bleibt.

 

Frankreich, Deutschland, Japan: AKW-Proletariat auf der ganzen Welt

Spätestens seit der Katastrophe von Fukushimastehen ihre Arbeitsbedingungen im Fokus der Diskussion. Angeblich waren Obdachlose und Arbeitslose in Japan angeheuert worden, um für gutes Geld die dortigen Atomkraftwerke zu reinigen. Offenbar sind dabei auch viele erkrankt. In den 17 deutschen Reaktoren, die nun bis zum Jahr 2022 abgeschaltet werden sollen, arbeiten weitaus mehr Leiharbeiter als Festangestellte. Die Strahlenbelastung des Fremdpersonals soll dabei doppelt so hoch wie die Dosis der Festangestellten sein.

In Frankreich ziehen insgesamt 30.000 Leiharbeiter von Kraftwerk zu Kraftwerk. Nach Gewerkschaftsangaben liegen ihre Unfallraten über dem Durchschnitt der Festangestellten. Maximal fünf Wochen sind die Strahlennomaden in einem AKW, sie teilen sich Wohnwagen, dann ziehen sie weiter, irgendwo zu einem anderen Meiler in Frankreich. Sie arbeiten bei der jährlichen Revision mit – und beim Austausch der Uran-Tabletten.

 

20 Millisievert als maximale Jahresdosis

Im Roman der Französin Filhol berührt der Protagonist bei der Revision eines gewaltigen Wasserbehälters ein strahlende Sicherheitsscheibe einer Mutter. Dann schlägt sein Dosimeter aus. „Mit ein bisschen Know-how und Glück hofft jeder, die Dosis auf möglichst viele Einsätze verteilen zu können, und vergisst dabei, dass man ihn beim ersten ernsten Störfall auf die Ersatzbank setzt, bis zum nächsten Jahr“, so der Protagonist Yann.

Zwanzig Millisievert ist die erlaubte Dosis über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Manch einer schafft es. Doch wer nicht aufpasst, irgendwo falsch anfasst, der tankt eben Strahlung, und das Dosimeter vermerkt nüchtern die Fehler. Protagonist Yann hat die Dosis abbekommen – und wird für den Rest des Jahres nun freigesetzt. Übelkeit, Müdigkeit und keinen Job mehr – so beschreibt der Protagonist das Gefühl nach dem Strahlenbeschuss. …

 

Autor: Elisabeth Filhol
Titel: Der Reaktor
Verlag: Edition Nautilus
Preis: 16,00 Euro
bereits erschienen

 

 

(Ingo Marco Pannicke, BAG Energie)

GB plant acht neue AKWs

Die britische Regierung hat nun die Standorte für 8 neue AKWs benannt. Sie werden sie subventionieren über a) einen Minimum-Preis für CO2 (floor-price) b) Deckelung der Haftung für Unfallrisiken c) vermutlich auch staatliche Kredite der „Green Investment Bank“. Größere Proteste werden an den Standorten nicht erwartet weil es bereits existierende AKWs dort gibt.

 

https://www.independent.co.uk/news/uk/politics/government-names-eight-new-sites-for-nuclear-power-plants-2302035.html

 

Neue AKWs: Bradwell, Essex, Hartlepool, County Durham, Heysham, Lancashire, Hinkley Point, Somerset, Oldbury, Gloucestershire, Sellafield, Cumbria, Sizewell, Suffolk, Wylfa, Anglesey

 

 

(Deutsche Welle: Atompolitik, 04.07.2011)

Auch Franzosen wollen keine Atomkraft mehr

Die Atomkraft ist nicht beherrschbar. Nach der Katastrophe von Fukushima ist dies auch den Franzosen klar. Mit großer Mehrheit wollen sie den Ausstieg. Für die Regierung und die Atomindustrie ist dies ein Problem.

Der schwere Reaktorunfall im japanischen Fukushima sorgt auch in Frankreich für politische Schockwellen, dem weltweit zweitwichtigsten Atomstaat. Zu rund 80 Prozent stammt der Strom aus einem der insgesamt 58 französischen Reaktoren. Seit General de Gaulle in den 1960er Jahren die Weichen für das umfangreiche Atomstromprogramm stellte, um damit dem Land Unabhängigkeit im Energiebereich zu garantieren, galt das „tout nucléaire“ als nationaler Konsens. Doch nun hat der GAU in Japan ein Umdenken bei den Franzosen ausgelöst.

 

Sarkozy hält an Atomkraft fest

An der Staatsspitze ist dies noch nicht angekommen. Ende Juni präsentierte Staatspräsident Nicolas Sarkozy sein Programm der großen Staatsanleihe, unter dem Titel: Zukunfts-Investitionen. Für Sarkozy spielt dabei auch die zivile Kernkraftnutzung eine Rolle: „Wir werden eine Milliarde Euro für das Atomprogramm der Zukunft bereitstellen, speziell für die Atomkraftwerke der vierten Generation“, kündigte der Staatschef im Fernsehen an. Ebenso werde seine Regierung umfangreiche Mittel der großen Staatsanleihe in die Forschung stecken, zur Verstärkung der Anlagensicherheit. Sarkozy verweist stolz darauf, dass Frankreich diesbezüglich schon über einen „weltweit anerkannten Vorsprung“ verfüge.

 

Parteien vollziehen Kurswechsel

Zwar gibt sich Nicolas Sarkozy davon überzeugt, dass in Frankreich Atomkraft noch eine Zukunft habe, doch populistisch angehaucht kündigt er immerhin eine Einschränkung an. Langfristig solle der Anteil des Atomstroms an der Energieproduktion im Land gesenkt werden. Wie dies genau erfolgen soll, erklärt Sarkozy allerdings nicht. …

 

Atomunfall auch in Frankreich möglich

Laut jüngsten Umfragen sprechen sich bis zu 77 Prozent der befragten Franzosen für einen „progressiven Atomausstieg“ aus. Ein Tabu ist damit gebrochen. Der nationale Atomkonsens wankt schon seit Anfang April. Knapp drei Wochen nach dem japanischen Reaktorunglück bekennt André-Claude Lacoste, Chef der Atomsicherheitsbehörde in Paris, erstmals öffentlich, auch in Frankreich sei ein schwerer Unfall nicht auszuschließen. Und als er die allerersten Lehren aus dem GAU in Fukushima zieht, räumt er gewisse Mängel an der Studie zur Sicherheit der französischen Reaktoren ein: „Wir haben beispielsweise nicht die möglichen Schäden im AKW untersucht, falls ein Erdbeben und eine Überschwemmung zusammenkommen“, gibt Lacoste mit gewisser Selbstkritik zu.

 

Stadträte fordern Abschaltung

Ein schwerer Unfall ist auch in französischen Kraftwerken möglich. Diese Erkenntnis veranlasste den Stadtrat von Straßburg zum Umdenken und sorgte für Schlagzeilen. In einer spektakulären Abstimmung forderte er, das benachbarte Atomkraftwerk Fessenheim, die älteste Atomstromanlage im Land, zu schließen. Eine Premiere im Land, der andere Gemeinden zwischenzeitlich folgten.

Roland Riess, Bürgermeister von Straßburg, erklärt, zwar sei bei ihm im Elsass kein Tsunami zu befürchten, „aber vor einem Erdbeben sind wir keineswegs sicher“. Schließlich habe die Erde im benachbarten Oberrhein-Tal schon gebebt. Und da das Atomkraftwerk Fessenheim gerade mal sechzig Kilometer entfernt liegt, befinde sich Straßburg also in der potenziellen Gefahrenzone. Roland Riess gibt zu, sehr erleichtert zu sein, „dass der Stadtrat der Forderung, das Atomkraftwerk zu schließen, einstimmig, wirklich einstimmig zugestimmt hat“.

Dessen ungeachtet gab die Behörde für Atomaufsicht grünes Licht für den Weiterbetrieb von Reaktor 1 in Fessenheim. Die Behörde empfahl nun erwartungsgemäß eine Verlängerung der Laufzeit um zehn Jahre. Jedoch knüpfte sie ihre Zustimmung an die Auflage, technische Verbesserungen vorzunehmen.

 

Kritik an atomarer Sicherheit in den Medien

 

Mit bislang ungewohnter Schärfe widmen sich seit der Katastrophe von Fukushima auch die Medien dem Thema Atom. Kurz nach dem GAU in Japan sendete das Fernsehen beispielsweise mehrere Reportagen, die die prekären Alltagsbedingungen der sogenannten „Wanderarbeiter des Atoms“ beleuchten, also derer, die als Subunternehmer für die Wartung der französischen Kernkraftwerke zuständig sind. Dass da einiges im Argen liegt, hält auch ein Bericht fest, den der parlamentarische Ausschuss für Technologiefolgenabschätzung in Paris nach dem GAU in Arbeit gab und der Ende Juni veröffentlicht wurde. Die Forderung der Autoren: die Sicherheit der Anlagen sei das höchste Gut und habe über wirtschaftlichen Aspekten zu stehen.

 

Imagestrategie der Atomindustrie gefährdet

Ende Juni deckte auch die Tageszeitung „Le Monde“ auf, dass beim Bau des Europäischen Druckwasser-Reaktors EPR, des Atomkraftwerks der vierten Generation, Arbeitsunfälle vertuscht werden. Das hat Gründe: Der EPR wird als sicherster Kraftwerkstyp bezeichnet und gilt als potentieller Exportschlager der französischen Atomindustrie. Der Japaner Taro Mitamura verfolgt die neue Atomdebatte sehr aufmerksam. Mitamura ist Kernenergie-Experte und leitet das Studio des japanischen Fernsehsenders NHK in Paris. Er beobachtet, dass Frankreich nun sehr viel Wert auf mehr Sicherheit lege. Und dass die Verantwortlichen sich bemühten, auf internationaler Ebene Sicherheitsstandards zu verstärken und zu ihrer Vereinheitlichung auf hohem Niveau beizutragen. „Da könnte Frankreich weltweit die Führungsrolle übernehmen“, sagt Mitamura.

 

Atomausstieg wird Wahlkampfthema

Es ist fraglich, ob die Imagestrategie der Atomindustrie aufgeht. In den französischen Medien dürfte das Thema Kernkraft nicht so schnell aus den Schlagzeilen kommen. Im Frühjahr 2012 stehen nämlich Präsidentschaftswahlen an. Nur die rechte UMP, die aktuell an der Regierung ist, spricht sich noch für einen weiterhin unbeschränkten Atom-Kurs aus. Zudem ist eine öffentliche Debatte zum Thema Atommüll anberaumt. Ein heißes Thema, denn auch Frankreich sucht noch immer händeringend eine Lösung zur dauerhaften Entsorgung der strahlenden Abfälle. Und ein Endlager wollen auch die Franzosen nicht in ihrer Nachbarschaft haben.

Autorin: Suzanne Krause
Redaktion: Gero Rueter

 

Quelle: https://www.dw-world.de/dw/article/0,,15209487,00.html

 

 

Das Leck im Kühlsystem – wie gefährlich ist Berlins Forschungsreaktor?

Leck im Kühlsystem – Stellungnahme von Dr. Thilo Scholz

 

Dr. Thilo Scholz nimmt Stellung zu dem Vorwurf des Helmholtz-Zentrums, er sei entlassen worden, weil er Kollegen gemobbt habe.

Der Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums in Berlin-Wannsee soll gravierende Sicherheitsmängel aufweisen. Diesen Vorwurf erhob der frühere leitende Ingenieur am Reaktor, Dr. Thilo Scholz, im KONTRASTE-Interview.

Er war zuvor vom Helmholtz-Zentrum entlassen worden. Das Institut erklärt dazu in einer Presseerklärung, Dr. Thilo Scholz sei entlassen worden, weil er Kollegen gemobbt habe.

Der Techniker sieht in dem Vorwurf seines Ex-Arbeitgebers den Versuch, mit einer Diffamierung seiner Person seine fachliche Bedenken herunterzuspielen. Kontraste erklärt er die Entwicklung am Helmhotz-Zentrum folgendermaßen:

Dr.-Ing. Thilo Scholz, ehemaliger leitender Ingenieur Helmholtz-Zentrum Berlin: „Ich habe die Geschäftsleitung in einer internen Mitteilung ein sicherheitsrelevantes Restrisiko angezeigt. Statt eine Antwort zu erhalten, wurde ich fortan ausgegrenzt, quasi gemobbt. Die Geschäftsleitung hat dies umgedreht, in einen Mobbingvorwurf gegen mich, der dann zu einer fristlosen Entlassung führte. Dies alles, weil ich diesen sicherheitsrelevanten Mangel angezeigt habe, so wie ich es als ordentlicher Ingenieur einfach tun musste.“

 

https://www.rundfunkberlinbrandenburg.info/kontraste/archiv/kontraste_vom_23_06/wie_gefaehrlich_ist.html

 

Kommentar: Die Forschungsreaktoren hat bisher praktisch niemand auf der „Tagesordnung“. Eine Kernschmelze oder ein vergleichbarer Unfall ist jedoch auch hier nicht auszuschließen. Die freisetzbare Radioaktivitätsmenge ist sicherlich deutlich (um Zehnerpotenzen) geringer als bei den Energie-Reaktoren, dennoch würde eine unfallbedingte Freisetzung auch hier zur Katastrophe führen, zumal die Forschungsreaktoren fast alle in dicht bebauten Gebiet stehen.

(Störfall Atomkraft, S. 123) Deutschland, Forschungsreaktoren: Es gibt noch vier Forschungsreaktoren in Betrieb (14 weitere sind bereits abgeschaltet, Stand 12/2009) mit thermischen Leistungen zwischen 0,1 MW (Mainz) und 20 MW (Garching) sowie sechs weitere Kleinstreaktoren an Hochschulen (zwölf weitere abgeschaltet, ebenfalls überwiegend an Hochschulen, einige in Industrie und Forschungszentren).

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kernreaktoren_in_Deutschland#Forschungsreaktoren)

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Demonstration Hintergründe

Töten für Frankreichs Nuklearindustrie

Am 18.4.2011 starb Tavrez Sejkar, Atomgegner, in Jaitapur (Indien). Wie gewöhnlich ist den deutschen Medien ein solcher Vorfall allenfalls eine Kurzmeldung wert, wobei natürlich nichts weiter an Informationen verbreitet wird, als die Stellungnahme, wie sie dem Polizeibericht zu entnehmen ist. Angeblich hätte am Rande einer Demonstration ein gewaltbereiter und teilweise bewaffneter „Mob“ ein unterbesetztes Polizeirevier gestürmt, um es zu plündern und in Brand zu stecken. Selbstredend hat der getötete Atomgegner in diesen Meldungen keinen Namen. Beim Versuch den „Mob“ zu zerstreuen, sei nach dem vergeblichen Einsatz von Gummigeschossen und Tränengas in Notwehr scharf geschossen worden, so in etwa gleichlautend die Informationen im Morgenmagazin (ARD/ZDF) aber auch diversen deutschen Printmedien.