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Hintergründe

FILM: Yellow Cake

Eben ist es gelungen, in der heißen Wahlkampfphase einen „Hammer“ zu setzen, wenn auch im entlegenen  Hillesheim (sorry, jeder ist sich selbst der nächste 😉 in einem der meist ausgezeichneten Programmkinos des Landes: Wir zeigen an diesem Wochenende vorauss. 3 x den Film „Yellow Cake„, dabei voraussichtlich am Mo. 21.3. 19:00 Uhr in einer Veranstaltung mit anschließender Diskussion mit dem Regisseur Joachim Tschirner und dem Fachbuchautor („Störfall Atomkraft„) Karl-W. Koch. Näheres zu Film finden Sie hier

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Akualisierungen des Buches Hintergründe Terrorgefahr

Buch: ATOMWAFFEN FÜR AL QAIDA – AUSWERTUNG

Vorbemerkung:

Dieses hochinteressant Buch – mit allerdings etwas zu reißerischem Titel (in Wirklichkeit geht es um die mindestens genauso interessante Karriere des Kadir Khan) – ist mittlerweile, bis auf Amazons Verkaufseinträge und EINE einzige Erwähnung (Kulturmagazin Perlentaucher) nicht einmal mehr im Internet vorhanden … Völlig zu Unrecht. Zeichnet es doch DAS Bild der Proliferation der Atomtechnik der letzten 40 Jahre exakt nach. Um mit einer alten Mercedes-Werbung (oder Greenpeace) zu sprechen: „Proliferation hat einen Namen: Kadir Khan!“

Ich wollte ursprünglich die einzelnen Zusammenhänge in Aktualisierung meines Buches direkt einbauen, muss aber eingestehen, dass ich derzeit dazu die Zeit nicht finde 🙁 Daher vorab die Übersicht über die wichtigsten Stellen, die Seitenangaben beziehen sich auf das Original:

(Quellenangabe: Egmont R. Koch: Atomwaffen für Al Qaida – Auswertung, Aufbau-Verlag, Berlin, 2005)

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Das genannte Buch ist von Titel und teilweise von der pseudo-intivestigativen Schreibart her etwas reißerisch gestaltet. Das angekündigte Thema verbleibt weitgehend im Spekulativen und wird nicht nachhaltig belegt. Allerdings wird in hervorragender Art der Werdegang des „Dr. No“, Kadir Khan, und der Aufbau seines Proliferations-Netzwerkes dargestellt, schon allein deshalb ist das Buch lesenswert und als Quelle fast unverzichtbar.

Interessant ist die Tatsache, dass es kaum noch zu erhalten ist, selbst bei Amazon wurde es zwischenzeitlich  nicht angeboten, aber in einem Berliner Kaufhaus wurde es im Oktober 2010 für 3,90 verramscht ….

1. Al Qaida und die Bombe:

Zitat Osama bin Laden, Januar 1999: „Wir würden es nicht als Verbrechen ansehen, in den Besitz atomarer, biologischer oder chemischer Waffen zu gelangen.“ (in einem Interview der Newsweek vom 11.1.1999.)

Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes MI6 haben unter der Legende, sie seinen Terroristen und hätten Interesse an Atomtechnik oder spaltfähigem Material Kontakt Ende 2001 zu Kadir Khan und seinen Mitarbeitern aufgenommen. Laut Tenet (CIA-Chef) waren mindestens zwei der kontaktierten pakistanischen Atomwissenschaftler bereit und boten zudem noch Infos zu einer „schmutzigen Bombe“ als Extra an.

Nach mehreren – nicht bestandenen – Tests mit Lügendetektoren gaben zwei andere Wissenschaftler aus Khans Umfeld namens Mahmood und Majeed, zu, mit Bin Laden persönlich und mit Vertrauten von ihm über Massenvernichtungswaffen „Diskussionen akademischer Natur“ geführt zu haben. (S. 33)

Allerdings lehnte der pakistanische Geheimdienst eine Vernehmung der Wissenschaftler durch die CIA „brüsk“ ab. (S. 34)

100 Tage nach den Anschlägen des 11.9.2001 belegt das US-Außenministerium, dass Mahmood sich mehrfach mit Bin Laden und Mullah Omar getroffen hatte, um über die Herstellung von ABC-Waffen zu diskutieren.

2. Pakistan:

Das AKW Kanupp (Karachi Nuklear Power Plant) stand nicht unter IAEA-Kontrolle, daher konnte hier atomwaffenfähiges Plutonium abgezweigt werden. (S. 26). Allerdings gab es 1975 Probleme bei Lieferung einer französischen Wiederaufbereitungsanlage, die in Chashma am Indus gebaut werden sollte. Der Druck aus den USA gegen dieses Geschäft war offenbar zu groß geworden. (S. 66)

Unter der US-Regierung Carters setzen die USA dann endgültig das Scheitern dieses Projektes durch, allerdings nicht ohne dass offenbar eine Reihe von Plänen auf direktem Weg von Frankreich an Khan gelangten und sogar zwei Ingenieure für die weitere Entwicklung – des nun nicht zustande gekommenen Geschäftes – in Chashma stationiert wurden. (S. 83).

Die US-Präsidenten waren durch ein Gesetz des Abgeordneten Pressler genötigt, sich einmal pro Jahr in einer Regierungserklärung zum dem ihnen bekannten Stand des pakistanischen Atomprogramm zu äußern. Bis zum 1. Oktober 1990 taten sie dies, zuletzt wider besseres Wissen, in dem Sinn, ihnen sei nicht bekannt, dass Pakistan über Atomwaffen verfüge. Nach der Entwicklung des Frühjahrs 1990 war diese Erklärung beim besten Willen nicht mehr glaubwürdig abzugeben. Konsequenterweise informierte daher George Bush am 1. Oktober 1990, er könne die Erklärung, Pakistan besitze keine Atomwaffen, nicht mehr abgeben. Die Folge war eine drastische Verschlechterung des US-pakistanischen Verhältnisses, Gelder wurden gestrichen, Militärlieferungen ausgesetzt, u.a. weitere als Träger dringend benötigte F16-Kampfbomber. (S. 204)

1990 zähle Pakistan zu den 40 ärmsten Ländern der Welt: 45 % hatten keine ärztliche Versorgung oder sauberer Trinkwasser, 52 % aller Kinder waren mangelernährt. Aber Pakistan verfügte über rund ein Dutzend Kernwaffen! (S. 207)

3. Deutsche Beteiligungen:

Auch die deutschen Firmen Leybold-Heraeus (S. 83, 94, 125) und scheinbar auch Siemens (beim Bau einer Pilotanlage in Kahuta, S. 84) waren am Bau der pakistanischen Atomanlagen beteiligt.

Die Firmen CES Kalthof GmbH und Mebus Engineering werden genannt, in Verdacht zu stehen, am Bau einer UF6-Fabrik in Dera Ghazti Khan beteiligt gewesen zu sein.

Die Firma NTG Rudolf Ortmayer lieferte eine Tritium-Anlage (Tritium = überschwerer Wasserstoff, ein Proton mit 2 Neutronen, gebraucht als Neutronenquelle bei Atombomben) (S. 156ff)

Ringmagneten für die Zentrifugen wurden über die Türkei von der Firma Tridelta in Dortmund geliefert. (S. 244)

Die Firma Optronic GmbH in Königsbrunn bei Aalen lieferte 2003 22 t gehärtete Aluminiumrohre mit der Bezeichnung „6061-T6“ ohne Ausfuhrgenehmigung nach Nordkorea. Angeblich waren die Rohre als Tanks für chinesische Flugzeuge gedacht. Allerdings entsprachen sie genau dem Maß für die P1-Zentrifugen, deren Pläne Khan nach Nordkorea geliefert hatte. Der Inhalt hätte für bis zu 400 Zentrifugen gereicht. (S. 253f)

4. Terrorgefahr in den USA:

Angriff auf ein AKW am 11.9.2001: Bei den Planungen war ursprünglich auch ein AKW an der amerikanische Ostküste sowie das Weiße Haus“ einbezogen worden. Beide wurden in der endgültigen Planung wieder gestrichen, da – nach Meinung der Piloten – die Gefahr bestand, dass die Maschinen abgeschossen würden, bevor sie ihr Ziel erreicht hätten.

Am 2.12.2001 wurde die Gefahr eines Atombombenanschlages auf Washington so hoch eingeschätzt, dass der Vizepräsident Cheney und Hundert Beamten aus verschiedenen Ministerien als Ersatzregierung in eine weit entfernte Bunkeranlage, die für den Zweck des Schutzes vor Atomaren Angriffen gebaut worden war. (S. 36)

5. Kadir Khan:

Über eine Tochterfirma der „Verenigde Metaal-Fabrieken“ namens „Fysisch Dynamisch Onderzoeklaboratorium (FDO) bekam 1970 ungehinderten Zugang zur Urenco bei der Entwicklung von Kadir Khan als Metallurge ab März Hochgeschwindigkeitszentrifugen. In Almelo sollte damals das US-Monopol für angereichertes Spaltmaterial gebrochen werden. (S. 49)

Im November 1983 wurde Khan aufgrund des Diebstahls der Blaupause von Urenco wegen Spionage in Abwesenheit zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde 18 Monate später von der Berufungsinstanz aus formalen Gründen wieder aufgehoben, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass Khan die Anklage termingerecht erhalten hätte.

Nach seinem nicht rühmlichen Ausscheiden bei FDO hatten weder Khan noch FDO baldmögliche geschäftliche Kontakte zu knüpfen. So lieferte FDO offenbar 1976 eine Präzisionsmaschine zur Zentrifugenherstellung, die von Urenco nicht abgenommen worden war. Als der Deal aufflog kam es nicht einmal zu einer Verurteilung der Beteiligten, da der Handel – zumindest nach der damals geltenden Rechtslage – legitim gewesen sei. (S. 72).

Dieses Rechtsproblematik sollte sich noch weiter verschärfen: So standen wohl komplette Hochgeschwindigkeitszentrifugen auf der entsprechenden IAEA-Exports-Verbots-Liste, nicht aber Teile von Zentrifugen, die dann problemlos im Empfängerland zu kompletten Zentrifugen zusammen gebaut werden konnten. (S. 77)

6. China:

Laut einer CIA-Analyse hat Khan das Bomben-„Design“ aus China bekommen. 2002 – 20 Jahre später wurden eben diese chinesischen Pläne bei der Beendigung des Atombombenprojektes Libyens übergeben. (S. 127)

7. Kriegsgefahr Indien – Pakistan:
Im Rahmen des Kashmirkonfliktes im Januar 1987 drohte der pakistanische Außenminister gegenüber dem indischen Botschafter mit dem Einsatz von Atomwaffen, falls Indien nicht seine Interventionstruppen aus dem Distrikt Kargil abziehen würde. Indien gab klein bei und zog ab. (S. 168)

Im Mai 1990 wurden Tausende von Arbeitern aus dem Atomfabrik Kahuta evakuiert, offensichtlich befürchtete die pakistanische Regierung einen Angriff. CIA-Auswerter bewerteten LKW-Transporte aus den Bergen Belutschistans zu einer nahe gelegenen Airbase als ein Beladen von F16-Bombern mit Atomwaffen. Die damalige Premierministerin, die in der atomaren Befehlskette offenbar überhaupt nichts zu melden hatte, war derzeit auf längerer Auslandsreise. Der CIA-Direktor William Webster stufte die Situation später „Gefährlicher als die Kuba-Krise“ ein. (S. 200 f)

Am 11. Mai 1998 belegte Indien mit drei fast zeitgleich gezündeten Atomsprengsätzen unterschiedlicher Bauart eindrucksvoll, dass die Gerüchte über die Entwicklung einer indischen Atombombe eben keine Gerüchte mehr waren, sondern harte Fakten. 25 Jahre zuvor hatte es den ersten Atomtest gegeben, damals noch sehr im geheimen. Nun war Indien offizielle Atommacht Nr. 7 und hatte eindrucksvoll seinen Anspruch auf die Führung auch auf diesem Gebiet in Südasien dokumentiert.

Aber Pakistan hält, wenn auch mit riesigem Aufwand dagegen: Am 28. und 30 Mai 1998 zündet Pakistan insgesamt sechs Sprengkörper (S. 219ff)

Am 2. Juli 1999 – wieder eskaliert, nach pakistanischer Provokation, der Konflikt im Kaschmir – drohte ein weiteres Mal ein Atomkrieg auf dem südasiatischen Subkontinent: Die CIA beobachtet da Scharfmachen und beschicken mit Atomsprengköpfen von „Ghauri“-Raketen, den pakistanischen Kurz??streckenraketen. Verantwortlich dafür ist offenkundig nicht der Präsident, eigentlich der erste Mann im Staat, Nawaz Sharif, sondern der Befehlshaber der Armee, Pervez Musharraf. Dieses Mal wird Pakistan von der Clinton-Regierung gezwungen, klein beizugeben. (S. 234f)

8. Iran:

1985 lieferte die Firma Leifeld aus Ahlen eine Maschine zur Herstellung von Zentrifugen-Rohlingen nach Teheran. Ferner wurde der Regierung in Teheran durch Erlanger Geschäftsmann Heinz Mebus, ein kompletter Satz Zentrifugen-Baupläne übergeben. Auch hier hatte Khan wieder seine Finger im Spiel. Im Frühjahr 1987 gab es eine regelrechte „Schulung“ für 33 iranischer Wissenschaftler in beiden Linien (Urananreicherung und Plutonium-Erbrütung) in Pakistan. (S 172 f)

9. Nordkorea:

1997 wurden mit Rückendeckung der Regierung Nawaz Sharif in Nordkorea gekaufte No Dong-Raketen mit der Lieferung von Anreicherungstechnik bezahlt. So wurden auf einer Airbase in Nordkorea Ende 1997 C-130-Transporter der pakistanischen Luftwaffe beobachtet, die offenbar nicht nur Raketen abtransportierten, sondern auch Ware anlieferten. Khans Netzwerk bestellte zu der Zeit mehr Zentrifugen-Bauteile im Ausland, als die Pakistani selbst verbauten. (S. 214f)

1999 verfügt Nordkorea über drei Plutoniumbomben oder Bomben-Attrappen, die Khan bei einem Besuch stolz vorgeführt werden. (S. 237)

Im April 2003 ließen nordkoreanische Diplomaten ihre US-amerikanischen Kollegen wissen, ihr Land besitze zwei Plutoniumbomben und arbeite an weiteren. (S. 254)

10. Südafrika

Südafrika unterzeichnete erst 1991 den Nichtverbreitungsvertrag. Unter der Aufsicht der IAEA wurde sieben fertige oder halbfertige Atombomben zerlegt, im März 1993 verkündete die Regierung de Klerk öffentlich das Ende des südafrikanischen Atomprogramms. (S. 257)

Sonstiges:

Im Oktober 1972 unterzeichnete die Bundesregierung Deutschlands und die Regierung Pakistans ein offizielles Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernphysik. (S. 54)

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Hintergründe Störfälle

Film Restrisiko – SAT1 – Nachtrag

Die Website zum Film gibt es hier https://www.sat1.de/filme_serien/restrisiko/ mit einer Menge Material.

Unter anderem ist die Doku anscheinen noch 7 Tage vollständig vorhanden zum Online-Ansehen. Für die die es im TV verpasst haben.

Übrigens; Da gibt es auch noch eine Online-Abstimmung pro und kontra Atomkraft. Klickt doch hier mal an der richtigen Stelle:
https://www.sat1.de/filme_serien/restrisiko/voting/content/48017/

Mit anti-atomaren Grüßen

(Dank an Jörg Haas)

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Hintergründe Störfälle

IPPNW: (zum Film Restrisiko – SAT1) … Nach Vorfall im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld

IPPNW-Presseinformation vom 17. Januar 2011

Nach Vorfall im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld

„Restrisiko“ geht unter die Haut

Im bayerischen Atomkraftwerk Grafenrheinfeld gibt es möglicherweise einen sehr langen, umlaufenden Riss einer Rohrleitung, der zum Abriss der Leitung führen könnte. Monatelang wurde der Befund nicht richtig gemeldet und die Anlage aus rein wirtschaftlichen Gründen weiterbetrieben. Bis heute wurde die betreffende Stelle nicht so untersucht, dass ein Leck-Störfall tatsächlich ausgeschlossen werden kann. In jeder Risikostudie zählen Lecks im Bereich des Primärkreises zu den potenziellen Auslösern eines schweren Kernschmelzunfalls.

Zu einem solchen Leck-Störfall kommt es – wegen des alles dominierenden wirtschaftlichen Interesses des Betreibers – im Spielfilm „Restrisiko“ im fiktiven Atomkraftwerk „Oldenbüttel“, der morgen Abend ausgestrahlt wird (SAT.1, 18. Januar 2011, 20.15 Uhr). Das Vorstandsmitglied der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW, Reinhold Thiel, und IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz standen der Produktion beratend zur Seite. Sie nehmen zu „Restrisiko“ wie folgt Stellung:

Selbst wenn man sich schon seit Jahrzehnten mit dem Thema Atomenergie kritisch befasst, kann man nur sagen: „Restrisiko“ geht unter die Haut. Dies deswegen, weil der Film auf schlichte Gut-Böse-Schemata weitgehend verzichtet, weil er mit herausragenden Schauspielern brilliert und weil er mit einer spannenden Dramaturgie fesselt. Der Film ist insgesamt realitätsnah, wobei sich das eine oder andere technische Detail in der Realität ein wenig anders darstellt. Die bewusste Verfremdung an wenigen Stellen des Films dient dazu, übergeordnete reale Probleme filmisch-dramaturgisch vermitteln zu können. Das ist perfekt gelungen.

„Restrisiko“ arbeitet mit drei Figuren heraus, was das rein wirtschaftliche Interesse der Atomkraftwerksbetreiber an verlängerten Laufzeiten für die Verantwortlichen in den Atomkraftwerken vor Ort bedeutet: Der forsche Kraftwerksdirektor, der das Profitinteresse des Betreibers zu exekutieren hat; der leitende Ingenieur, den das schlechte Gewissen wegen menschlicher und technischer Fehler sowie wegen radioaktiven Freisetzungen plagt und der weiß, dass alte Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen. Und dazwischen die Sicherheitschefin, die zunächst zu leichtfertig an die Beherrschbarkeit der Atomenergie glaubt, ohne völlig verantwortungslos zu handeln, und die im Laufe der Zeit immer mehr begreift, dass von dem alten Atommeiler eine erhebliche Gefahr ausgeht, die es zu verhindern gilt.

„Restrisiko“ spielt vor dem Hintergrund, dass es in der Energiepolitik nur vordergründig um alle möglichen Aspekte geht, letztlich aber allein eines zählt: der schnöde Mammon, dem regelrecht alles untergeordnet wird – insbesondere die Sicherheit der Bevölkerung.

Realitätsnah ist der Film unter anderem auch deswegen, als nicht nur atomkritische Organisationen wie die IPPNW eindringlich vor gravierenden Sicherheitsdefiziten warnen. Auch Insider und Befürworter der Atomenergie halten – ganz ähnlich wie der Ingenieur im Film – den Weiterbetrieb der Siedewasserreaktor-Baulinie 69 für nicht länger verantwortbar. Im Oktober veröffentlichte ein ehemaliger Ingenieur des Atomkraftwerksherstellers Siemens gemeinsam mit neun anderen ausgewiesenen Fachleuten einen brisanten „Schwachstellenbericht“. Demnach muss in den Atommeilern Brunsbüttel, Isar-1, Philippsburg-1 und Krümmel mit einem Riss in einer Schweißnaht gerechnet werden – und zwar direkt am Reaktordruckbehälter. Denn dort können Spannungen von 326 Newton/mm2 auftreten, obwohl nur ein Wert von 177 zulässig und genehmigt ist.

Da ein solches Leck die Kühlfähigkeit des Reaktorkerns grundsätzlich in Frage stellt, muss mitten im dicht besiedelten Deutschland mit einem katastrophalen Atomunfall wie in Tschernobyl gerechnet werden – ein Horror-Szenario, welches der Film noch nicht einmal an die Wand malt. Im Film verläuft es glimpflicher.

Völlig zu Recht trifft der leitende Ingenieur im Film die Aussage, dass die Zeit dieser Atommeiler abgelaufen ist. In der Realität kommt der an dem „Schwachstellenbericht“ beteiligte Ingenieur ebenso zu dem Ergebnis, dass man den Weiterbetrieb der Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 nicht länger verantworten kann.

Redaktionelle Hinweise:

Im Anschluss an die Ausstrahlung von Restrisiko folgt um 22.15 Uhr die Dokumentation „Restrisiko Atomkraft – Mit Sicherheit unsicher?“.

Den „Schwachstellenbericht Siedewasserreaktoren Baulinie 69“ finden Sie hier: https://www.ippnw.de/startseite/artikel/1f8648cb56/brisanter-schwachstellenbericht.html

Siehe auch „Nachrüstungsliste bestätigt wesentliche Biblis-Mängel“:  https://www.ippnw.de/startseite/artikel/0d757d07ac/nachruestungsliste-bestaetigt-wese.html

Kontakt:

Henrik Paulitz, IPPNW, Tel. 0032-485-866 129

Deutsche Sektion der Internationalen Aerzte

fuer die Verhuetung des Atomkrieges, Aerzte in

sozialer Verantwortung (IPPNW)

Koertestr. 10

10967 Berlin

Tel. 030-69 80 74-0

www.ippnw.de

Email: ippnw@ippnw.de

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Hintergründe

Update „Virenangriff auf iranische Atomanlagen!“

Die «New York Times» berichtet von neuen Hinweisen, dass Israelis und Amerikaner den Virus gemeinsam entworfen hätten. Er sei sogar in der israelischen Atomanlage Dimona getestet worden. Hier sind praktisch die gleichen Zentrifugen zur Urananreicherung wie in Natans aufgebaut. «Um den Wurm zu testen, muss man die Maschinen kennen», zitiert die «New York Times» einen amerikanischen Atomexperten. «Die Israelis testeten ihn aus, das ist der Grund, weshalb der Wurm so effektiv war.» Die Iraner hatten im Oktober zugegeben, dass Tausende Rechner in den Atomanlagen infiziert wurden. Nach Angaben der «New York Times» wurde durch Stuxnet ein Fünftel der iranischen Uranzentrifugen lahmgelegt und das gesamte Programm zurückgeworfen (s.a. Virenangriff auf iranische Atomanlagen!)

Laut «New York Times» hat ein US-Labor in Idaho die Vorarbeit geleistet . Es habe Anfang 2008 mit Siemens zusammengearbeitet, um Schwächen der Programme zu identifizieren. Das Labor in Idaho, das dem für die US-Atomwaffen zuständigen Energieministerium unterstehe, habe gut versteckte «Löcher» in dem Siemens-System gefunden. Diese seien von Stuxnet zum Angriff genutzt worden.

(Quelle: u.a. Bericht in der FAZ und Yahoo-Nachrichten)

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Hintergründe

Tarnen und Täuschen im Iran geht weiter

Zu diesem Wochenende (15., 16. Januar 2011) wurden Vertreter der verschiedener Staaten eingeladen, die Atomanlagen im Iran zu besichtigen. Nicht eingeladen wurden die USA, während China  und Russland Einladungen erhielten. Weitere Mitgliedsstaaten der IAEO  sind ebenfalls in der Runde, nicht von ungefähr: Ende Januar steht die nächste Verhandlungsrunde der „6“ (5 offizielle Atommächte + Deutschland) in Istanbul an.

Besichtigt werden sollen dabei das AKW Buschehr, die Anreicherungsanlage in Natans und ein in Bau befindlicher Schwerwasser-Reaktor  in Arak. Nicht vorgesehen ist der Forschungsreaktor in Teheran und die 2. Anreicherungsanlage in Ghom. Der in Bau befindliche Schwerwasser-Reaktor kann zum Atomwaffenbau verwendet werden, eine Fabrik für schwere Wasser hat der Iran bereits 2005 in Betrieb genommen, die bisher hergestellte Menge sollte zu einer Erstbefüllung reichen. Angeblich sollen dort radioaktive Präparate für die medizinische Diagnostik hergestellt werden. Der große Vorteil eines Schwerwasser-Reaktors: Er kann mit Natur-Uran (also mit NICHT(!!)-angereichertem Uran) betrieben werden und liefert – wie die „normalen“ Leichtwasser-Reaktoren dabei Plutonium, das dann abgetrennt und für den Bombenbau verwendet werden kann.

Eine Bewertung:

Der Iran darf eigentlich laut dem NVV (dem sog. „Atomwaffensperrvertrag“) fast alles, was sie tun. Der iranische Staat ist bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie sogar „zu unterstützen“ (ART. IV. 2 und V)!!! Sanktionen sind eigentlich erst möglich und berechtigt, wenn er mit einem „Rauchenden Colt“, sprich mit waffenfähigem Material oder fertigen Bomben „erwischt“ würde. Das einzige Fehlverhalten bisher waren die Erschwernisse bei der Kontrolle durch die IAEO und das jahrelange (dümmliche, weil – auch das hätten sie gedurft!) Verheimlichen der Anreicherungsanlage in Natans.

Vergleichbare Fälle in der Geschichte haben die USA und die westlichen Staaten anders behandelt. Über Israels Atombombenprogramm wurde jahrzehntelang hinweg gesehen, die einzige Auflage der USA war, es dürfte nicht „offiziell“ werden durch Atombombenversuche oder politische Eingeständnisse. Bei Indien und Pakistan wurde halbherzig bis gar nicht versucht, sie von ihrem, zumindest den USA frühzeitig bekannten – Bestreben zur Atombombe abzubringen, Indien wurde im Nachherein sogar mit einer offiziellen – gegen den NVV verstoßenden Zusammenarbeit im zivilen Nutzungsbereich „geadelt“! Lediglich Nordkorea sah sich einem vergleichbaren Druck ausgesetzt. Ein Schuft, wer Böses denkt, etwa dass handels-, wirtschafts- und außenpolitische Kriterien hierbei eine Rolle spielen und dem NVV einen Spielraum eingestehen, der aber in den Zeilen des Vertrages definitiv ausgeschlossen ist.

Um mich richtig zu verstehen: ich bin sicher, dass der Iran an der „Bombe“ baut, der Irre an der Spitze des Terror-Regimes vorneweg! Das macht den Umgang mit dem NVV und die Schwächen dieses Vertrages aber keinen Deut besser. Im Gegenteil, es verschärft das Problem.

(Quellen: FR 5.1.2011: „Tag der offenen Tür im Iran“, NTV zum Thema „Schwerwasserfabrik von 2005, Wirtschaftswoche zum gleichen Thema)

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Entsorgung

Zwischenbericht zum Gorleben-Untersuchungsausschuss

Nach acht Monaten Arbeit hat die grüne Bundestagsfraktion die ersten Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Gorleben in einem Zwischenbericht zusammengetragen. Darin wird klar: Die Standortauswahl war willkürlich und ignorierte die Geologie im Wendland, kritische Wissenschaftler wurden systematisch diskreditiert und die Öffentlichkeit bewusst ausgeschlossen. Die Akten zeigen zudem, dass auch der Erkundungsprozess offensichtlich auf einer Rechtsverdrehung basiert. Den Link zur grünen Seite und dem Bericht finden Sie hier.

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Laufzeitverlängerung

Betriebsgenehmigung für AKW Brunsbüttel erloschen

Das AKW Brunsbüttel hat ein ernsthaftes Problem, wieder an das Netz zu kommen … Ein Gutachten im Auftrag der Grünen hat ergeben, dass die Stillstandzeit zu lange war, so dass damit die Betriebsgenehmigung, originellerweise nach dem BImSch-Gesetz (Bundes-Immisionsschutz-Gesetz), erloschen ist und neu erteilt werden müsste. DAS wiederum dürfte unmöglich sein, da der geforderte „Stand  der Technik“ nicht mehr „so ganz aktuell“ ist. Nachfolgend die entsprechende PE der Grünen und der Link zum Gutachten.

Die Grüne Landtagsfraktion hat ein Rechtsgutachten zur Frage des Erlöschens der Betriebsgenehmigung für das AKW Brunsbüttel in Auftrag gegeben. Die Rechtsanwältin *Dr. Cornelia Ziehm* kommt zu dem Ergebnis, dass für das AKW Brunsbüttel die Berechtigung zum Leistungsbetrieb erloschen und eine Wiederinbetriebnahme unzulässig ist. Seit dem 27. Juli 2007, das sind fast dreieinhalb Jahre, ist das AKW ununterbrochen vom Netz und produziert keinen Strom.

Gemäß Paragraf 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (Bundes-Immissionsschutz-Gesetz) erlischt eine Genehmigung, „wenn eine Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht betrieben worden ist.“ Das ist bei dem Atomkraftwerk Brunsbüttel der Fall. Das Atomgesetz verweist in Paragraf 7 Abs. 4 S. 3 auf die Grundsätze des o.g. Paragraf 18 BImSchG, somit gilt die Dreijahresregel auch für das AKW Brunsbüttel. Diese Rechtsfolge tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer behördlichen Maßnahme bedarf.

Um den Atommeiler wieder anfahren zu lassen und ans Netz zu bringen, muss der Betreiber ein neues Genehmigungsverfahren beantragen, denn die alte Genehmigung ist durch Zeitablauf erloschen. Im neuen Genehmigungsverfahren müssen die Auswirkungen des Betriebs auf die Nachbarschaft und die Umwelt, die sich inzwischen auf das dauerhafte Unterbleiben der Emissionen eingestellt haben, geprüft werden.

Dazu erklärt der Vorsitzende der Grünen Landtagsfraktion, *Robert Habeck*: „Wir Grünen werden mit dem Hinweis auf das vorliegende Rechtsgutachten an die Landesregierung herantreten, mit dem Ziel, dass das AKW Brunsbüttel endgültig abgeschaltet und der ordnungsgemäße Rückbau eingeleitet wird. Es ist völlig klar: Die Reaktorsicherheitsbehörde darf dem Betreiber ein Wiederanfahren des AKW nicht genehmigen, solange die Rechtslage nicht eindeutig geklärt ist.“

Der energiepolitische Sprecher der grünen Fraktion, *Detlef Matthiessen*, ergänzt: „Der Pannenmeiler in Brunsbüttel gehört zu den ältesten Atomkraftwerken in Deutschland. Er gilt als sehr schlecht ausgelegt gegen terroristische Einwirkungen, ist führend in der Pannenstatistik und hat eine miserable Verfügbarkeit.  Nur die Schließung des AKW Brunsbüttel beugt der latenten Gefahr einer Havarie sicher vor. Nur ein stillgelegtes Atomkraftwerk ist ein sicheres Atomkraftwerk.“

Zwei Links zu Tagesschaubeiträgen dazu finden sich hier und hier.

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Entsorgung

Gorleben-Untersuchungsausschuss: Fiasko für CSU/CDU und FDP

Massive Belege gegen Gorleben

Der Untersuchungsausschuss hörte am 16. Dezember 2010 zwei Geologen als Zeugen: Siegfried Keller, geladen von CDU/CSU und FDP sowie Ulrich Schneider, geladen von der Opposition. Siegfried Keller ist seit 1981 bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angestellt und beschäftigt sich dort theoretisch mit den Ergebnissen von Bohrergebnissen. Ulrich Schneider war von 1979 bis1983 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kiel bei Prof. Duphorn und betreute zwei Jahre die rund 1.200 Bohrungen in Gorleben. 1982 war er mit der Auswertung der hydrogeologischen Oberflächenkartierung befasst, er ist vereidigter Sachverständiger nach §18 Bundes-Bodenschutzgesetz.

Gesamtbilanz: Geologische Ausschlusskriterien, Manipulationen und Vertuschungen bestätigt

Die Befragung des ersten Zeugen Siegfried Keller brachte wenig inhaltlich verwertbare Ergebnisse. Seine Befragung ist Teil der Koalitionsstrategie, ihre Behauptungen durch Zeugen aus der „zweiten Reihe“ bestätigen zu lassen. Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, konnte überzeugend die Hauptthese Kellers widerlegen, nach der das Vorhandensein eines intakten Deckgebirge kein relevantes Kriterium für die Eignung eines Salzstocks als Endlager ist.

Die Befragung Ulrich Schneiders hingegen erwies sich als überaus ergebnisreich – und als Fiasko für die Koalition. Schneider bewies an Hand von Karten der BGR eindrucksvoll, dass die BGR inzwischen selbst die sogenannten Scheitelstörungen im Salzstock Gorleben als existent ansieht – was vor 30 Jahren von Duphorn und Schneider festgestellt, von dieser Behörde jedoch vehement bestritten wurde. Als er belegen konnte, dass Gas im Erkundungsbereich 1, und damit dem potenziellen Einlagerungsbereich nachgewiesen worden war, wurde die Koalition mucksmäuschenstil. Schließlich konnten durch seine Aussagen auch noch mehrere eindeutige Manipulationen und Vertuschungen durch die Behörden aufgedeckt werden, da die Hinweise auf Gas im Salzstock Gorleben bereits 1983 vorlagen, aber systematisch verschwiegen wurden. Die Ergebnisse der Gasexplosion von Lenzen lagen der BGR spätestens 1991 vor, ohne dass dies Niederschlag in Publikationen dieser Behörde fand.

Im Folgenden lesen Sie:

Zeugenbefragung Siegfried Keller S. 2
Zeugenbefragung Ulrich Schneider
sowie nächste Sitzungstermine und Zeugen
S. 3

(Quelle: B90/Grüne: https://www.gruene-bundestag.de/cms/gorleben/dok/365/365549.fiasko_fuer_csucdu_und_fdp.html

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Pro Atom

atomare „Klimaschützer“ abgemahnt

Atomforum erneut abgemahnt

Bereits im Sommer diesen Jahres setzte der Deutsche Fußballbund eine einstweilige Verfügung gegen das Deutsche Atomforum durch, nicht mehr mit der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die friedliche Nutzung von Kernkraft zu werben.

Das Atomforum scheint aus seinen Fehlern nicht zu lernen. Erneut werben sie ungefragt mit Drittparteien und erneut wird diese Werbung mit einer einstweiligen Verfügung gestoppt.
Der Anzeigentext der aktuellen Kampagne  „Klimaschützer unter sich“ zeigt dabei Fotos von ENERCON-Windanlagen in der Nähe von Atomkraftwerken und stellt Wind- und Atomenergie als technisch wie auch umweltpolitisch besonders vorteilhafte Partner dar. (Erg. der Red.: Dabei stellten sie sich derart strunzdumm an, dass aufgrund des Markenzeichens – charakteristische Lackierung der Windanlagen im unteren Teil – die Urheberrechte von ENERCON erheblich verletzt wurden, einer der Hauptgründe FÜR den Sieg vor Gericht!)

Das Landgericht Berlin untersagt dem Deutschen Atomforum nun in ihrer Fotomontagen dabei mit Wind-Anlagen von ENERCON zu werben.

Die Täuschung der Öffentlichkeit durch die Atombranche rächt sich erneut. Denn auch für die Atomwirtschaft in Deutschland gilt trotz Milliardengeschenken und freundlicher Zuarbeit der schwarz-gelben Regierung die deutsche Gesetzgebung.

Link zur Stellungnahme von ENERCON: https://www.wind-energie.de/de/aktuelles/article/atomforum-darf-keine-enercon-anlagen-bei-aktueller-kampagne-abbilden/145/

(Quelle: Berlin, den 17.12.2010, Hans-Josef Fell MdB)