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Was wäre wenn … GAU in Biblis:

Angenommen wurde bei der interaktiven GAU-Simulations-Karte von Greenpeace eine Kernschmelze bei offener Reaktorhülle, mit großer frühzeitiger Freisetzung von Radioaktivität. Dies wäre vergleichbar der Katastrophe von Tschernobyl 1986. Eine vergleichbare Katastrophe drohte in Biblis A bei dem „legendären“ Bedienungsfehler Dezember 1987 (s.a. S.: 93), wäre aber auch durch einen Terroranschlag, bereits mit einer kleineren Passagiermaschine, erreichbar.

Besonders berücksichtigt wird von Greenpeace dabei das Isotop Caesium 137 (Cs-137), das auch nach Tschernobyl, neben Jod (J-131) die entscheidende Rolle bei der radioaktiven Belastung spielte. Problematisch ist hier die Menge der Freisetzung und die vergleichsweise lange Halbwertszeit (s.a. S.: 57) von 30 Jahren. Beim sogenannten Fallout, also den radioaktiven Niederschlägen, setzen sich diese Stoffe am Erdboden ab, werden dort aufgenommen und gelangen in den Pflanzenkreislauf (und damit in die Nahrungskette, bei Wildfleisch, Waldfrüchte und Pilzen letztlich auch des Menschen). Die Folge: Nach Tschernobyl wurde in Deutschland der behördliche Schwellenwert für radioaktive Kontamination durch Cs-137 stellenweise um das Achtfache überschritten. Andere radioaktive Teilchen wie das erwähnte Jod, das kurzzeitig (Halbwertszeit: 8 Tage) zu einer noch deutlich höheren Belastung führt, aber aufgrund der kurzen Halbwertzeit schnell wieder verschwindet, sowie mögliche lange wirksame Stoffe werden nicht berücksichtigt. Sie würden die Situation mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest kurzfristig weiter dramatisch verschärfen.

Bei einem GAU, d.h. bei einer Kernschmelze mit der Freisetzung von großen Mengen an Radioaktivität, in Biblis wären bei Südwestwind folgende Städte mit einer Radioaktivität von mehr als 2.500.000 Bq/m2 verseucht (vorausgesetzt, der Wind weht kontinuierlich mehrere Tage aus der selben Richtung): Bei Westwind wäre dies: Darmstadt, Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Nürnberg, Neustadt a.d.W., Ansbach, Amberg. Dieses Gebiet wäre selbst nach den alten sowjetischen Maßstäben auf Dauer unbewohnbar und muss entsiedelt werden.

Mit über 1.000.000 Bq/m2 belastet wäre: Kaiserslautern, Karlsruhe, Heilbronn, Würzburg, Bamberg und Klatovy in Tschechien. Das Gebiet in einem Sechseck mit den Eckpunkten: Kaiserlautern, Darmstadt, Karlsruhe Bamberg, Heilbronn und Tschechischer Grenze wäre auf Dauer unbewohnbar.

Mit über 555.000 Bq/m2 belastet ist die Fläche zwischen Kaiserslautern, Rastatt, Schweinfurt, Schwäbisch Hall, Regensburg, Bayreuth mit Verlängerung in die Tschechei bis Brno. Diese Fläche wurde in der Ukraine nach der Tschernobylkatastrophe dauerhaft evakuiert.

Ein Gebiet (Belastung über 37.000 Bq/m2, nach sowjetischer Behördendefinition: „Kontaminierte Fläche“) zwischen Franfurt, Stuttgart, Kulmbach und Ingolstadt, mit einer Verlängerung in Richtung Tschechei und Slowakei könnte nur unter stärksten Einschränkungen (wie keine Landwirtschaft, keine lange Aufenthalte im Freien, Filteranlagen für die Atemluft weiter bewohnt werden.

Zitat Erläuterungen Greenpeace: „Bei den Berechnungen für die Karte wurde eine schwerer Reaktorunfall mit Kernschmelze und offenem Containment bei fünfzigprozentiger Freisetzung des im Reaktor befindlichen Caesiums vorausgesetzt. Als Grundlage dienen reale Wetterdaten des Jahres 1995. Das Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien hat anhand dieser Wetterdaten errechnet, wie sich die Wolke innerhalb von 10 Stunden an acht verschiedenen Tagen des Jahres ausgebreitet hätte. An jedem dieser Tage herrschte eine andere Hauptwindrichtung vor. Über Schaltflächen lässt sich das AKW auswählen und die Windrichtung einstellen. Die verschiedenen meteorologischen Bedingungen des jeweiligen Tages sorgen daher für ganz unterschiedliche Szenarien.“

Berücksichtigt man, dass in Tschernobyl etwa die dreifache Menge an Jod-131 im Vergleich zu Cs-137 freigesetzt wurde (3 · 1017 Becquerel Caesium-137, 2 . 1017 Becquerel Strontium-90 und 1 · 1018 Becquerel Iod-131; Quelle: https://www.chemievorlesung.uni-kiel.de/1992_umweltbelastung/radio1.htm),  es beim nächsten GAU vermutlich ähnlich sein wird  und  letztlich, dass für Jod-131 der Wirksamkeits-Umrechnungs-Faktor gilt: 1,3 bis 350 x 10-8 Sv/Bq Erwachsener bzw. Kleinkind, verschiedene Aufnahmepfade, (Quelle: https://www.mp.haw-hamburg.de/pers/Kaspar-Sickermann/kgs/dkgs10.html), so werden bei 1.000 Bq/m2 Strahlenbelastungen zwischen 13 mSv (Erwachsener, Einwirkung von außen) und 3.500 mSv (Kleinkind, über die Schilddrüse aufgenommen) wirksam. Zur Erinnerung, bis 500 mSv gibt es gesundheitliche Schädigungen (Änderungen im Blutbild), darüber hinaus bis 1.700 mSv starke gesundheitliche Beeinträchtigungen wie  die sog. Strahlenkrankheit (Erbrechen, Haarausfall, Müdigkeit), über 1.700 mSv sind häufig tödlich, ab 5.000 mSv sterben 50 % der Geschädigten innerhalb eine Monats.

Die zulässigen Grenzwerte für Arbeitnehmer, die beruflich Strahlenbelastungen ausgesetzt sind, liegen bei 20 mSv pro Jahr (= p.a.), max. sind in Ausnahmefällen bis zu 50 mSv/p.a. erlaubt.

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Hintergründe Störfälle

Bericht aus Tschernobyl

Michael Henke        (15.09.2010)

Anfang September war ich mit einer Reisegruppe  in der Ukraine. Am Sonntag, den 05.09.2010 fuhren wir von Kiew  aus ca. 100 km in den Norden der Ukraine.

Als wir in den Landkreis ( Rajon ) Iwankiw  einfuhren, erklärte uns der Führer, dass dies der Kreis mit den wenigsten Einwohnern, aber mit der doppelten Sterblichkeitsrate war. Rechts und links der Straße waren die Getreidefelder schon abgeerntet, an der Straße saßen Verkäuferinnen mit Pilzen. „Die Lebensmittel aus der Gegend werden schon lange nicht mehr nach Radioaktivität untersucht. Sie werden im ganzen Land verkauft“. Nach ca. 25 km kam der erste Schlagbaum, wir verlassen den Bus und werden einzeln mit dem Pass in der Hand kontrolliert. Hier beginnt die Sperrzone. (Bild 1)

Bild 1
Bild 1

Die Straße wird ganz breit, es kommt uns kein Auto mehr entgegen, bis wir nach 30 min die Stadt Tschernobyl erreichen. Sie ist fast menschenleer. Es sind noch 4.500 Arbeiter hier, die alle 14 Tage ausgewechselt werden. In einem neu gebauten Regierungsgebäude werden wir „eingewiesen“. Strenge Regeln gelten: nicht rauchen, nichts anfassen, nur auf dem Weg des Führers gehen, feste Schuhe und geschlossene Jacken, nur fotografieren, was erlaubt. Nach der Unterschrift jedes einzelnen fahren wir in die nächste Sperrzone.

Bald tauchen Kräne in der Ferne auf, Schornsteine, ein großes Kanal, dann zwei halbfertige Kühltürme. Alles menschenleer.

Hier waren vier Atomkraftwerke in Betrieb, zwei waren noch im Bau, als die „Havarie“ passierte. Der Kühlkanal begleitet uns. Als wir aussteigen sehen wir den Geigerzähler an der Brust des amtlichen Führers. Beklommene Stille herrscht. Auf eine Brücke sehen wir riesige Fische im versuchten Kühlwasser (Bild 2).

Bild 2
Bild 2

Die drei anderen Blocks sind erst seit 2000 stillgelegt und dienen heute als Abklingbecken für die Brennelemente.

Vorbei am Schild „Nukem“ ( hier hat die EU viel Geld ausgegeben) fahren wir zum „Sarkophag“, der riesigen Schutzhülle über dem zerstörten Reaktor. Wir dürfen eine Grenze ca. 250 m vor dem Reaktor nicht überschreiten, da passt die Polizei genau auf. (Bild 3 und 4).

Bild 3
Bild 3

Bild 4
Bild 4

Der Geigerzähler fängt an zu rasen, als wir uns dem Denkmal nähern. „Hier wurde alle Erde  ausgetauscht, die Straße neu gebaut, dies ist allein die Strahlung des Reaktors“, erklärt der Führer.

Es ist eine eigenartige Stimmung unter uns und auch Entsetzen. Nichts zu sehen, nichts zu spüren von der tödlichen Gefahr. Auf der Weiterfahrt schweigen alle im Bus.

Die nächste Sperrzone liegt um die Stadt Pripjat. Sie wurde Mitte der 70ziger Jahre gebaut für die Arbeiter an den Atomkraftwerken. Es war eine hervorragend eingerichtete sowjetische Stadt mit allem Komfort. Heute ist sie eine Geisterstadt. Statt 55.000 Einwohner lebt niemand mehr hier. Alles Bewegliche ist zerstört, die Stadt verfällt, die Natur holt sich alles zurück. (Bild 5).

Bild 5
Bild 5

Bild 6
Bild 6

Wir wandern durch die Ruinen und stiegen in einem ehemaligen Hotel in den 7. Stock (Bild 6).

Hier sehen wir uns um (Bild 7).

Bild 8
Bild 8

In der Ferne der Reaktor Bild (8).

Diese Geisterstadt ist der tiefste Eindruck der Reise, hier ist für Hunderttausende von Jahren jede menschliche Ansiedlung unmöglich. Alles ist so gelassen, wie die plötzliche Flucht der Bewohner es zurückließ (Bild 9).

Bild 9
Bild 9

Auf den Boden gelegt rast der Geigerzähler.

Hier ist im Umkreis von 30 km ist jedes menschliche Leben auf Dauer unmöglich. Wenn so etwas im dicht besiedelten Mitteleuropa passieren würde …

Schweigend fahren wir nach Kiew zurück, nachdem wir zweimal am ganzen Körper nach Radioaktivität überprüft waren.

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Pro Atom Störfälle

Darstellung „Atomhaftung“ auf der Seite Kernenergie.de

Die Atomhaftung wird in der öffentlichen Diskussion oftmals verkürzt und unscharf dargestellt. So entsteht der Eindruck einer unzureichenden Absicherung im Haftungsfall. Das Gegenteil ist der Fall:

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Akualisierungen des Buches Hintergründe Störfälle

Einordnung von meldepflichtigen Ereignissen (Kernenergie.de)

In der Medienberichterstattung zur Darstellung von Ereignissen in Kernkraftwerken werden die unterschiedlichsten Begriffe verwendet: „Panne“, „Störung“, „Störfall“ usw. Wie aber werden meldepflichtige Ereignisse in Deutschland sicherheitstechnisch eingeordnet?