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Störfälle

Ursache der Jod-Wolke gefunden?

Aktualisierung am 19.3.2017

Es zeichnet sich ab, dass die „Halden“-Spur ins Leere führt, was den Vorfall noch unklarer macht. Die noch beste Erklärung wäre eine Störung bei einem Betrieb der für medizinische Zwecke radioaktives Iod herstellt. Dass dazu aber nichts bekannt geworden ist (in Europa unterliegen diese Betriebe ebenfalls scharfen Kontrollen!). Dem widerspräche jedoch die europaweite Verbreitung.


(Mittlerweile fraglich)

mögliche Erklärung: Gefährliche Forschungs-Reaktor-Störung in Norwegen?

Ende Januar wurde die Öffentlichkeit mit spärlichen Meldungen über eine radioaktive Wolke mit Iod 131 in geringer Konzentration über ganz Europa alarmiert. Iod 131 ist ein Zerfallsprodukt bei radioaktiven Prozessen und hat eine kurze Halbwertzeit von nur 8 Tagen.

Am 3. März veröffentlichte die norwegische NGO Bellona einen Bericht über einen Störfall im Forschungsreaktor Halden (s.a. HIER und HIER) nahe Oslo an der der Grenze zu Schweden am 24. Oktober 2016. Halden ist in den ansonsten AKW-freien Norwegen als Forschungsreaktor das einzige AKW.

Bellona erklärt den Störfall als „ziemlich bedenklich“. Er wurde mittlerweile auf der Störfallskala mit INES 1 eingestuft. Er habe sich beim Hantieren des Personals mit beschädigten Brennelementen ereignet. Über das Belüftungssystem dieses in einer Bergkammer errichteten, unterirdischen Forschungsreaktors sei Radioaktivität freigesetzt worden. Am nächsten Tag habe die norwegische Atomaufsicht verfügt, die Abgabe in die Außenluft zu sperren. Dadurch hätten sich weitere ernsthafte Probleme an dem Reaktor ergeben, nämlich eine Unterbrechung des Kühlwasser-Kreislaufs, Temperaturanstieg und ein Ansteigen des Neutronenflusses im Core mit der Gefahr einer Bildung von Wasserstoffblasen. Damit habe durchaus die Gefahr der Wasserstoff-Bildung und einer anschließenden Explosion wie in Fukushima bestanden. Unter einem „Brennstoff-Schaden“ versteht man normalerweise, dass ein Brennstab an einer Stelle aufplatzt und einige Uran-Pellets verliert, kein großes Problem. Das beschriebene „Venting“ (Druckentlastung) deuten dagegen auf eine beginnende Kernschmelze hin.

Daraufhin habe die Atomaufsicht das Belüftungssystem wieder einschalten lassen, auch wenn dadurch weiter Radioaktivität in die Umwelt geblasen wurde. Das dürfte auch das Geheimnis der Iodwolke sein.

https://www.heise.de/tp/features/Beinaheunfall-in-Norwegen-3648067.html

dagegen spricht:

allerdings, dass die ersten Messungen am 9.1. 2017 festgestellt wurden. Iod hätte bis dahin seit dem 24.10. (Störfall in Halden) – 11 Halbwertzeiten vergangen seit der Freisetzung – somit nur noch 1 / 2000 der freigesetzten Menge gehabt. Die wesentlich höhere Konzentration in den Wochen vorher wurden nirgends gemessen. Aufgrund der Richtung der Windströmungen wäre die Quelle und ggf. auch der Zeitpunkt der Freisetzung ggf. identifizierbar.

Oder … doch nicht Halden?

Die Huffington Post hat einen davon abweichenden, aber gut recherchierten Beitrag im Netz, in dem als Ursache ein Unfall bei einem Hersteller von medizinisch verwendetem radioaktivem Iod (wahrscheinlich), ein Unfall in einem AKW (unwahrscheinlich) oder ein russischer Atomtest (sehr unwahrscheinlich) vermutet wird. Dazu: „Die CTBTO, die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen mit Sitz in Wien, schrieb dazu am Montag: Wenn Jod-131 im Zuge eines Atomtest freigesetzt worden wäre, hätten eigentlich auch andere radioaktive Stoffe austreten müssen – doch da sei nichts Auffälliges gemessen worden.“ Auch wären dann seismische Wellen messbar gewesen.

Dort findet sich auch (u.a.) eine Karte mit der Ausbreitung der Wolke über ganz Europa.
http://www.huffingtonpost.de/2017/02/22/jod-131-europa_n_14925494.html

Die Iodwolke wurde danach hauptsächlich gemessen:
in Nordfinnland, Ostnorwegen, Polen vom 9 – 16.1.
in Südfinnland vom 30.1. bis 7.2.
in Tschechien vom 17.1. bis 23.1.
in Frankreich und Spanien vom 17.1. bis 26.1.
in Deutschland (Schauinsland) vom 16.1. bis 30.1.


(Vorbemerkung der Red.: Es könnte nicht recherchiert werden, ob die folgende Antwort tatsächlich aus dem Bundesamt für Strahlenschutz stammt, sie liest sich aber schlüssig, Hervorhebungen sind von der Red.)

Ergänzung aus einem FB-Post:

(Ein Bürger hat) … beim Bundesamt für Strahlenschutz um eine Stellungnahme gebeten. Hier ist deren Antwort:

Sehr geehrter Herr xxx,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse in unsere Arbeit.Ein Zusammenhang zwischen dem Vorfall im norwegischen Forschungsreaktor Halden Ende Oktober und den leicht erhöhten Aktivitätskonzentrationen von Jod-131 Anfang dieses Jahres kann aufgrund der sehr kurzen Halbwertszeit von Jod-131 weitgehend ausgeschlossen werden. Jod-131 hat eine Halbwertszeit von 8 Tagen, das bedeutet, dass nach 8 Tagen durch den radioaktiven Zerfall nur noch die Hälfte der ursprünglichen Menge vorhanden ist. Es liegt darüber hinaus keine Meldung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA aus dem Januar vor, die einen erneuten ähnlichen Vorfall im Forschungsreaktor Halden nahelegen würde.

Es gibt aus der gegenwärtigen Datenlage keinerlei Hinweis darauf, dass die Jod-131-Konzentrationen aus einem (a) Akw oder von einem (b) Atomtest stammen könnten:

  1. Es ist kein realistisches Szenario vorstellbar, bei dem aus einem Kernkraftwerk ausschließlich Jod-131 entweicht. In solchen Fällen müssten sich auch andere radioaktive Stoffe nachweisen lassen wie beispielsweise Cäsium und auch Edelgase.
  2. Die CTBTO (Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen) betreibt ein weltweites Messnetz mit seismischen, hydroakustischen und Infraschallmessstationen – diese würden die damit verbundene Sprengung nachweisen. Außerdem würde man dann auch nicht nur Jod-131 sondern auch andere radioaktive Stoffe messen, was nicht der Fall ist.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort etwas weiterhelfen. Wenn Sie weitere Fragen haben melden Sie sich bitte.
Mit freundlichen Grüßen

 

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