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Hintergründe Laufzeitverlängerung

Der Atomkraftwerks-Betrieb ist verfassungswidrig

IPPNW-Presseinformation vom 15. März 2010

Der Atomkraftwerks-Betrieb ist verfassungswidrig

BMU 1999: Alle AKW entsprechen nicht dem geforderten Sicherheitsmaßstab

Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW steht der Betrieb der deutschen Atomkraftwerke nicht in Einklang mit den Bestimmungen des Atomgesetzes und den Grundsätzen des Kalkar-Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Ein älteres Papier der Bundesregierung bestätigt, dass die deutschen Atomkraftwerke nicht rechtmäßig betrieben werden.

Das Atomgesetz schreibt den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik als zentralen Sicherheitsmaßstab für Atomkraftwerke vor. Für den Fall, dass eine Anlage diesen Sicherheitsstandard nicht mehr erfüllt, sieht das Atomgesetz den „Widerruf“ der Betriebsgenehmigung, also die endgültige Stilllegung vor. Die Argumentation der Atomindustrie, die Atomkraftwerke müssten heute lediglich den alten Sicherheitsstandards während der Zeit der Genehmigung vor rund 30 Jahren genügen, ist falsch. Denn der Widerruf laut Atomgesetz ist für den Fall vorgesehen, dass der Sicherheitsstandard „später“, also während der Betriebsphase nicht mehr gegeben ist.

Im einschlägigen Kalkar-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die deutschen Atomaufsichtsbehörden (meist Umweltministerien) dazu verpflichtet, einen „dynamischen Grundrechtsschutz“ zu gewährleisten. Das bedeutet, dass die Behörden dafür zu sorgen haben, dass die Atomkraftwerke beispielsweise durch Nachrüstungen auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Ist dies nicht der Fall, dann darf ein Atomkraftwerk nicht betrieben werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei ausdrücklich die für die Atomaufsicht zuständigen Ministerien (die Exekutive) in die Pflicht genommen, weil die Behörden sehr viel schneller reagieren könnten als der Gesetzgeber. Entsprechend resultiert aber auch eine Verpflichtung der Aufsichtsbehörden, den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik tatsächlich durchzusetzen bzw. den weiteren Betrieb von Atomkraftwerken zu unterbinden, wenn der erforderliche Sicherheitsstandard nicht mehr gewährleistet werden kann.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund haben leitende Juristen der Bundesatomaufsicht in einem internen Papier vom 12. August 1999 festgestellt: „Alle laufenden Atomkraftwerke wären nach diesem Maßstab heute nicht mehr genehmigungsfähig. Laufende Atomkraftwerke entsprechen damit heute nicht mehr einem Sicherheitsmaßstab, der vom Atomgesetz nach neuem Stand von Wissenschaft und Technik gefordert ist.“

Die Bundesbeamten machen explizit deutlich, dass sowohl die ganz alten als auch die zuletzt errichteten „Konvoianlagen“ (Neckarwestheim-2, Emsland, Isar-2) nicht mehr den rechtlichen Erfordernissen genügen: „Anlagen, die nicht zu den sog. Konvoi-Anlagen zählen (d.h. die älteren Anlagen), entsprechen konzeptionell und in der Ausführung in weiten Teilen auch nicht mehr dem Stand der Technik, soweit er im kerntechnischen Regelwerk festgeschrieben ist. In einzelnen technischen Merkmalen fallen auch bereits die Konvoi-Anlagen hinter den heutigen Stand der Technik zurück. Beispiele sind Maßnahmen zur Erhöhung der Abschaltsicherheit und zur Erhöhung der Zuverlässigkeit von Notkühlung und -bespeisung.“

Ebenso bestätigte beispielsweise auch das Hessische Umweltministerium in internen Behördenvermerken, dass das Atomkraftwerk Biblis „selbstverständlich“ nicht mehr dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Betrieb von Atomkraftwerke nur dann als zulässig erklärt, wenn der Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet ist. Da dies nach Bewertung der Behörden nicht der Fall ist, erweist sich der Betrieb der deutschen Atomkraftwerke als rechtswidrig.

Siehe auch: Interview mit dem ehemaligen Leiter der Bundesatomaufsicht, Wolfgang Renneberg:

https://www.ippnw.de/atomenergie/atom-recht/artikel/398e3988b2/die-behoerde-handelt-rechtsfehlerha.html

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