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Hintergründe Störfälle

Update 13.04.2011, 01:00 (und zurückliegende Tage ….)

INES Stufe 7: Endlich werden die Realitäten eingestanden, Fukushima ist in seiner Gesamtwirkung mindestens Tschernobyl vergleichbar, wenn nicht gar schlimmer. Zwar gab es in Tschernobyl eine Explosion des Reaktorkernes, DIE fehlt (noch?) in Fukushima. Das Leck im Reaktordruckbehälter des Reaktors 2 setzte allerdings bisher bereits etwa 1/10 der Radioaktivität von Tschernobyl frei und ist immer noch offen. Über Lecks in den beiden anderen Reaktoren weiß man nichts, aber eben auch nicht, dass es KEINE gibt! Der Schaden im Abklingbecken 4 ist nach wie vor unkalkulierbar auch hier gab es eine Kernschmelze. Dass noch weitaus mehr Freisetzung an Radioaktivität folgen könnte, ist vorläufig nicht auszuschließen. Und die Radioaktivität wird nicht weitflächig verteilt, sondern lokal! Die Folgen werden sein, ein riesiges Gebiet wird dauerhaft unbewohnbar, die Belastung in den weiter weg liegenden Gebieten wird ebenfalls noch zu gesundheitsschädlichen Folgen führen: Tausende von Toten und Erkrankten wie nach Tschernobyl! Japans Wirtschaft wird sich auf etliche Jahre nicht erholen und falls doch noch Tokio von großen Mengen Radioaktivität getroffen wird, wird die Weltwirtschaft endgültig in die Knie gehen …

Japan ruft höchste Gefahrenstufe aus

(Tagesschau) Japan bewertet die Atomkatastrophe von Fukushima nun als ebenso gravierend wie das Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahr 1986. Die Katastrophe werde auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse („Ines„) auf die höchste Stufe 7 („Schwerste Freisetzung: Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld“) statt bislang 5 eingeordnet, teilte die japanische Atomaufsicht (NISA) in Tokio mit. Gefahrenstufe 7 bedeutet, dass es Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld gibt. Die Strahlung stamme überwiegend aus Reaktor 2, wo es am 15. März zu einer Explosion gekommen war.

Wir haben die Einstufung auf 7 angehoben, weil die Auswirkungen der Strahlung umfassend sind, in der Luft, im Gemüse, in Leitungs- und Meerwasser„, sagte NISA-Sprecher Minoru Oogado. Die Menge der Radioaktivität, die aus dem AKW ausgetreten sei, entspreche etwa zehn Prozent der Menge, die in Tschernobyl freigesetzt worden sei. Es handele sich um eine vorläufige Einordnung, betonte die Atomaufsicht. Die endgültige Bewertung müsse die Internationale Atomenergiebehörde vornehmen. Die NISA verwies darauf, dass es – anders als in Tschernobyl – in Fukushima bislang keine Explosionen im Reaktorkern gegeben habe. (Focus) Das radioaktive Leck könnte jedoch die in Tschernobyl freigesetzte Menge noch übertreffen, berichtete Kyodo unter Berufung auf den Betreiber Tepco.

 

Fukushima schlimmer als Tschernobyl?

(blog Tagesschau von Axel Weiß 8. April 2011 16:02 Uhr, gekürzt)

Über die gesundheitlichen Folgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl etwa besteht heute, 25 Jahre später, kein allgemeiner Konsens. Daraus folgt: Natürlich könnten die Folgen von Fukushima die von Tschernobyl übertreffen. Ob sie das wirklich tun, ist damit freilich nicht gesagt. Denn was die Folgen sind ist ja strittig. Bis zu 800.000 Aufräumarbeiter wurden angeblich damals eingesetzt, um den explodierten Reaktor in der Ukraine und seine Umgebung zu säubern. Wie viele krank wurden – keiner weiß das unstrittig. Sicher ist: es gab in der Ukraine, Weißrussland und Russland seither deutlich mehr Schilddrüsenkrebs und Leukämie. Unbestritten starben rund 50 Menschen durch die Strahlenkrankheit. Sie hatten in kurzer Zeit sehr hohe Dosen Radioaktivität erhalten. Die Gesamtzahl der Strahlentoten liegt über 4.000, auch das ist aber nur eine umstrittene Minimalzahl für die am stärksten belasteten Regionen um den Unglücksreaktor. Umweltschutzorganisationen nennen insgesamt weitaus höhere Zahlen, teilweise ist von hunderttausenden Toten vor Ort und europaweit die Rede. Krebs kann viele Ursachen haben. Jede zusätzliche Strahlenbelastung kann vielleicht der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und eine individuelle Erkrankung auslöst.
Fukushima könnte Tschernobyl „toppen“ – gegen diese These spricht, dass die Hauptstrahlenbelastung durch Tschernobyl in den ersten zehn Tagen vor allem durch radioaktive Teilchen mit sehr kurzer Zerfallszeit erfolgte wie Jod 131. Die vergleichbaren Werte liegen in Japan offiziell ungefähr um den Faktor Zehn niedriger. Der Brand im russischen Grafitreaktor schleuderte große Mengen Partikel sehr hoch, so dass sie der Wind großflächig verbreiten konnte. Ein solcher Brand fehlt in Fukushima.
Aber dafür befindet sich mit Tokio ein dicht besiedelter Großraum in gefährlicher Nähe zu den AKW. 250 Kilometer ist nicht viel, einen ersten Vorgeschmack haben die Bewohner bereits kürzlich erhalten, als radioaktives Jod im Trinkwasser der Großstadt nachgewiesen werden könnte. Und noch ein Unterschied zu Tschernobyl: es sind gleichzeitig mehrere Reaktoren betroffen sowie mehrere Abklingbecken mit alten Brennstäben, deren Kühlung auch immer wieder Probleme bereitet.

 

Abläufe in Reaktor 2

(wikipedia, abgerufen am 13.4.0:30 Uhr) … Am 15. März ab 0:00 Uhr wurde Druck aus dem Reaktor abgelassen. Um 6:20 Uhr ereignete sich eine Explosion. Gleichzeitig fiel der Druck in der Kondensationskammer (= Kühlung um den Reaktorkern) ab, was darauf hindeutete, dass diese beschädigt wurde und sich möglicherweise auch die Explosion dort abspielte. Anders als bei den Explosionen in den Blöcken 1, 3 und 4 blieben die Außenwände des Reaktorgebäudes 2 weitgehend intakt. Ab 08:25 wurde aus Block 2 aufsteigender weißer Dampf und/oder Rauch beobachtet, der aus mindestens einem Loch in der Gebäudehülle entwich und auch an den nachfolgenden Tagen noch zu beobachten war

Am 16. März schätzte Tepco, dass ein Drittel der Brennstäbe von Block 2 defekt sei; die Brennstäbe lägen teilweise frei. Trotz Einspeisen von Wasser gelang es nicht, den Wasserstand im Reaktor zu erhöhen. Dies deutete auf Lecks im Reaktordruckgefäß hin.

Am 20. März gegen 15:00 Uhr wurde mit dem Einfüllen von Meerwasser in das Abklingbecken von Block 2 begonnen. Um 15:46 Uhr wurde die externe Stromversorgung des Blocks wiederhergestellt. Zwischen dem 21. März um 18:22 Uhr und dem 22. März um 7:11 Uhr trat erneut weißer Dampf oder Rauch aus dem Reaktorblock aus. Ab dem 22. März wurde – jeweils im Abstand von mehreren Tagen – Meerwasser in das Abklingbecken von Block 2 eingefüllt. Seit dem 26. März wird wieder Süßwasser statt Meerwasser in den Reaktordruckbehälter eingespritzt.

Am 26. März maß Tepco im Untergeschoss des Turbinengebäudes von Block 2 (laut JAIF) eine sehr hohe Strahlung von mehr als 1000 mSv/h an der Oberfläche des Wassers, das sich dort angesammelt hatte. Am folgenden Tag wurden ähnliche Strahlungswerte auch im Wasser eines Tunnels außerhalb des Turbinengebäudes von Block 2 entdeckt, durch den Rohre verlaufen. Daraufhin teilte die japanische Regierung am 28. März mit, dass sie von einer vorübergehenden Teil-Kernschmelze in Reaktor 2 ausgehe.

Am 2. April entdeckte Tepco in einem betonierten Kabelschacht nahe dem Wassereinlass von Block 2 einen 20 Zentimeter langen Riss, aus dem radioaktiv hochkontaminiertes Wasser in den Pazifik floss. … Am 6. April konnte Tepco das Leck dann mit einem Abdichtmittel auf Wasserglas-Basis verschließen.

Nach Angaben der NISA war der Großteil des kontaminierten Wassers in den zwei Tagen nach Beschädigung der Kondensationskammer am 15. März freigesetzt worden, aber geringere Mengen von Wasser flossen auch im April noch aus dem Reaktor und gelangten über verschiedene Kanäle und Schächte ins Meer.

 

China warnt Japan vor Verseuchung des Meeres

(ZDF Heute) Die Situation im zerstörten AKW Fukushima macht China zunehmend Sorgen. Grund: abfließendes radioaktives Wasser in den Pazifik. Jetzt fordert Peking von Japan Schutz für den Ozean. Zuvor hatte Japan für Fukushima die höchste Gefahrenstufe ausgerufen.

Japan müsse China und andere Nachbarn zeitnah und angemessen über neue Entwicklungen informieren, forderte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao in einem Telefonat mit seinem japanischen Kollegen Naoto Kan, wie Staatsmedien berichteten. „Wir fordern die japanische Regierung auf, die Besorgnisse über die Auswirkungen auf die maritime Umwelt und benachbarte Länder ernst zu nehmen.“ Chinas Gesundheitsministerium forderte die Behörden in 14 Küstenregionen auf, das Meerwasser beständig auf Radioaktivität zu untersuchen. Aus Angst vor Verstrahlung boykottieren viele Chinesen bereits den Verzehr von Fisch, der vor der Küste von Dalian in Nordostchina unweit der koreanischen Halbinsel und Japan gefangen wird.

 

WHO spielt Gesundheitsgefährdung durch Fukushima herunter

(Greenpeace, gekürzt) In den letzten Wochen wurde über tausendfache Grenzwertüberschreitungen für radioaktive Stoffe durch die havarierten Reaktoren in Fukushima berichtetet. Doch das für den Westpazifik zuständige Büro der UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) spielt die Gesundheitsrisiken herunter. In der Zusammenfassung zu ihrem letzten Situationsbericht vom 6. April teilte die WHO beispielsweise mit, die im Seewasser am 3. April gezogenen Proben lägen unter den zulässigen Grenzwerten für Jod-131, während Medien am selben Tag berichteten, dass im Meer eine Strahlendosis gemessen worden sei, die den Grenzwert um das 4.000-fache übertrifft.

Die Luftbelastung außerhalb der Evakuierungszone um Fukushima bezeichnete die WHO am 4. wie am 6. April als stabil. Sie liege zwar über den Werten vor der Nuklearkatastrophe – es sei jedoch nicht von Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung auszugehen. Dies widerspricht den Messungen von Greenpeace. 30 Kilometer von der Atomruine entfernt stellte das Greenpeace-Team Strahlung bis zu 47 Mikrosievert pro Stunde fest. Bei solchen Werten ist die erlaubte maximale Jahresdosis in weniger als 24 Stunden erreicht.

Hintergrund für das kontinuierliche Herunterspielen der Gefährdungen durch die aus Fukushima entweichende Strahlung ist eine Vereinbarung der WHO mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aus dem Jahre 1959. In dieser Vereinbarung gewährt die WHO der IAEO die Kontrolle über alle Gesundheitsstudien zu Folgen radioaktiver Strahlung und billigt damit, dass sie in ihrer Arbeit eingeschränkt wird.

Die WHO war bereits in ihrer Bewertung der Tschernobyl-Katastrophe kritisiert worden. Auch bei Fukushima spielt die WHO das Ausmaß des Unglücks, der freigesetzten Strahlung und der damit zusammenhängenden Gesundheitsgefährdung herunter.

(Autorin: Simone Miller)

 

(Greenpeace) Radioaktives Cäsium auf Spielplätzen, in Gärten, im Supermarktgemüse – das Leben im weiteren Umkreis um die Atomruine Fukushima Daiichi wird immer gefährlicher. Noch 60 Kilometer entfernt hat das Greenpeace-Messteam deutlich erhöhte Werte in Bodenproben festgestellt. Die Bevölkerung braucht dringend mehr Schutz.

Die Messergebnisse von Greenpeace finden sich auf zwei Karten hier (ACHTUNG: 2 (!!) Karten!)

 

Aktueller Stand AKW-Planungen nach Fukushima

(wikipedia „Weitere Staaten“) Einige Staaten wie Indien, Pakistan, Russland, die Schweiz und Spanien kündigten eine Prüfung ihrer laufenden Kernkraftwerke an. Venezuelas Präsident Hugo Chávez und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärten, sie wollten Pläne für das jeweils erste Kernkraftwerk in ihren Ländern stoppen. China fror die Genehmigungen für alle neuen Kernkraftwerke ein. US-Präsident Barack Obama veranlasste eine Sicherheitsprüfung aller US-Atomkraftwerke.

Frankreich, Indonesien, die Niederlande, die Türkei und Vietnam wollen an ihren Plänen für neue Kernkraftwerke festhalten.

 

weltweite Diskussion um Ausstieg

Bei Google gibt es einen interessanten Überblick über die weltweite Diskussion zur Atomfrage, hier einige Auszüge:
Atomkraftwerk Koeberg

Business as usual in Südafrikas Atompolitik Das südafrikanische Kabinett hat Mitte März 2011 einen nationalen Energie- und Elektrizitätsplan verabschiedet, der einen massiven Ausbau der Atomenergie vorsieht. Umweltgruppen machen dagegen mobil

Pakistan kann einen GAU nicht bewältigen Pakistans Behörden behaupten, ein vergleichbares Unglück wie in Fukushima könne sich in Pakistan nicht ereignen. Doch das Atomkraftwerk nahe der 15-Millionen-Stadt Karatschi ist bereits seit 1972 am Netz. Über den Betrieb des alten Meilers ist wenig bekannt. >>>Mehr auf boell.de

Keine Atom-Debatte in Russland Anders als in Deutschland hat der japanische Atom-Unfall in Russland keine Debatte über das Atomprogramm ausgelöst. Eher wundert man sich über die „Atompanik“ der westlichen Länder. Jens Siegert, Moskau

In den USA und seiner Hauptstadt Washington DC wird der Atomunfall im japanischen Unfall sehr distanziert diskutiert. Konsequenzen für die eigene Energiepolitik ziehen die wenigsten, die Uhren ticken anders. Mehr auf Klima-der-Gerechtigkeit.

 

AKW San Onofre und Diablo Canyon, USA

Das kalifornische AKW San Onofre liegt „auf halbem Weg zwischen der südkalifornischen Millionenstadt San Diego und der Megametropole Los Angeles. Mehr als sieben Millionen Menschen leben im Umkreis von nur 80 Kilometern, weit mehr als im selben Radius um Fukushima. Drei aktive Bruchlinien befinden sich in unmittelbarer Nähe, darunter der berüchtigte San-Andreas-Graben. Mehr …

 

AKW Indian Point in New York State, USA

Angesichts der Atomkatastrophe in Japan drängt der Gouverneur des Bundesstaates New York darauf, das Atomkraftwerk Indian Point abzuschalten. Kein Wunder, der Uraltmeiler liegt keine 60 Kilometer von Manhattan entfernt und gilt als erdbebengefährdet. Mehr…

 

AKW Calvert Cliffs, Maryland, USA

Selbst in den USA kommt es trotz Milliarden-Subventionen nicht zu einem Atom-Revival kommt. Der neu geplante Reaktor in Calvert Cliffs im Bundesstaat Maryland steht vor dem Aus. Dem Investor Constellation war die Vertragsabschlussgebühr für die Inanspruchnahme der staatlichen Bürgschaft über 7,6 Mrd. US-Dollar zu teuer. Mehr auf Klima-der-Gerechtigkeit.

Quellen:

https://www.focus.de/panorama/welt/tsunami-in-japan/atomstoerfall-japan-ruft-hoechste-gefahrenstufe-fuer-fukushima-aus_aid_617506.html

https://www.tagesschau.de/ausland/japan822.html

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/who_spielt_gesundheitsgefaehrdung_durch_fukushima_herunter/

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/60_kilometer_von_fukushima_daiichi_caesium_in_bodenproben/

https://maps.google.de/maps/ms?ie=UTF8&hl=de&vps=2&jsv=329b&oe=UTF8&msa=0&msid=208230034271644213879.0004a02d66c3eebad00f0

https://blog.tagesschau.de/2011/04/08/konnten-die-folgen-von-fukushima-die-von-tschernobyl-noch-ubertreffen/

https://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/0,3672,8232266,00.html

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