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Hintergründe Störfälle

Update 13.3.2011, 16:00 Uhr

̶     Nuklearer Notstand in 3. Reaktor
15.05 Uhr: In Japan haben die Behörden den nuklearen Notstand in einem weiteren Atomkraftwerk ausgerufen. Für das Kraftwerk Onagawa sei wegen überhöhter Werte von Radioaktivität die niedrigste Notstandsstufe erklärt worden, teilte die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) am Sonntag in Wien mit.[1]

̶     Fukushima: nächster Block wird aufgegeben
14.15 Uhr: Nach der BBCWorld/Reuters soll sich TEPCO darauf vorbereiten auch den Block 2 von Fukushima 1 zu fluten.[2] Das lässt darauf schließen, dass auch hier die Kühlung entgültig ausgefallen ist. Die Flutung der Reaktorkontainements weist weiter darauf hin, dass die Reaktoren „aufgegeben“ werden. Die Schäden durch das Meerwasser (Korrosion) werden so groß sein, dass eine Reparatur nicht mehr als realistisch angesehen wird. Zu dem muss Bor oder ein anderer Neutronenfänger zugesetzt werden, um zumindest eine weitere Energiefreisetzung durch die Reaktion mit Wasser zu verhindern.

̶     Fukushima; Plutoniumfreisetzung droht
Der havarierte Reaktor 3 in Fukushima wird offenbar mit sog. MOX-Brennstäben gefahren[3]. Diese Recycling-Brennstäbe bestehen aus mehreren Uran- und Plutoniumoxiden. Das Plutonium wird aus den alten abgebrannten Brennstäben gewonnen und kann zusätzlich zum Uran zur Energiegewinnung verwendet werden und führt so zu einer höheren Energieausbeute. Uran-Atomreaktoren produzieren als Nebenprodukt zwangsläufig Plutonium, das in Wiederaufbereitungsanlagen abgetrennt wird. Bei einer Explosion käme im schlimmsten Fall durch seine extreme gesundsheitsschädliche Radioaktivität Ultragift Plutonium zu einer weitflächigen Verseuchung . Bereits die Inhalation von 40 Nanogramm 239Pu reicht aus, um den Grenzwert der Jahres-Aktivitätszufuhr für Inhalation bei Arbeitern zu erreichen[4]. Plutonium und seine Verbindungen gehören zu den giftigsten, bekannten Stoffen, die sind stark radioaktiv. Sie lagern sich im Knochenmark und in der Leber an, von wo aus sie den Körper radioaktiv verstrahlen. Beim Einatmen von plutoniumhaltigen Stäuben kann sich Lungenkrebs bilden. Die Einnahme weniger tausendstel Gramm des Elements führt zu tödlichen Strahlenschäden.[5]

̶     Stromnotstand
Japan droht in weiten Teilen eine Stromrationierung für mehrere Wochen, außerdem wird Energie (u.a. Flüssiggas) aus Russland importiert

̶     Evakuierung läuft
mittlerweile sind ca. 300.000 Menschen evakuiert, Es sind bisher ca. 160 Strahlungsopfer[6] gemeldet, was auf eine massive Freisetzung von Radioaktivität hinweist.

̶     Erhöhte Radioaktivität
Am 13.03. um 11.13 Uhr Ortszeit habe nach Angaben der Presseagentur Kyodo die Behörde ein Leck in Block 1 vermutet. Anlass dazu gäben Ortsdosisleistungsmessungen mit Werten über 1,2 mSv/h. Nach Informationen von CNN habe der Regierungssprecher Edano (um 12.06 Uhr Ortszeit, 13.03.) gesagt, dass sich möglicherweise eine Kernschmelze ereignet haben könnte.
Zum Vergleich die Zahlen aus Tschernobyl: Für das erste Jahr nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl wurde eine zusätzliche durchschnittliche effektive Jahres-Dosis von 1,0 mSv in Bayern und 0,1 mSv in Nordrhein-Westfalen errechnet. Die derzeitige zusätzliche Strahlenexposition in Deutschland durch den Reaktorunfall beträgt noch ca. 0,016 mSv/a. In unmittelbarer Nähe des brennenden Reaktors von Tschernobyl waren die Menschen höheren Strahlenbelastungen von bis zu 500 mSv ausgesetzt.

 

 

Gut ist die Aktualisierung auf Wikipedia[7]:

Unfall nach dem Erdbeben am 11. März 2011

Am 11. März 2011 wurde aufgrund des schweren Sendai-Erdbebens das Kraftwerk abgeschaltet.[4] Zu diesem Zeitpunkt waren die Blöcke 1, 2 und 3 in Betrieb und die Blöcke 4, 5 und 6 waren auf Grund von Wartungsarbeiten heruntergefahren.[5] TEPCO berichtete, dass die Notstromdieselaggregate starteten, jedoch nach einer Stunde infolge des Tsunami[6] stoppten, so dass für die Blöcke 1, 2 und 3 keine ausreichende Kühlung mehr gewährleistet war, um die Nachzerfallswärme abzuführen.[7] Zwar gab es mobile Generatoren vor Ort, und weitere wurden herangefahren; diese konnten allerdings bis zum 12. März morgens MEZ aufgrund ungeeigneter Kabel, eventuell auch der Versperrung von Zufahrtswegen nicht angeschlossen werden.[4][8] Zum ersten Mal in der Geschichte Japans musste Regierungschef Naoto Kan den atomaren Notstand ausrufen. Im Umkreis von zehn Kilometern um das Kraftwerk herum wurde die Bevölkerung aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.[9][10][11]

Da das Kühlsystem im Reaktorblock 1 nicht mehr zur Verfügung stand, verdampfte Kühlwasser, bis Teile der Brennstäbe aus dem Wasser ragten. Der Druck wurde teilweise in das Containment abgelassen, wo er sich von 4 auf 8,4 bar erhöhte. Daraufhin wurde Dampf aus dem Containment und Reaktorgebäude abgelassen, infolgedessen am 12. März in direkter Umgebung des Reaktorblocks geringe Konzentrationen der radioaktiven Caesium– und IodIsotope 137Cs und 131I nachgewiesen wurden.[6][8]

Um ca. 15:36 Uhr Ortszeit[12] (7:36 MEZ) am 12. März ereignete sich eine Explosion im Kernkraftwerk Fukushima I, bei der die äußere Verkleidung des Reaktorgebäudes 1 weggesprengt wurde.[13] Daraufhin wurde der Kreis, aus welchem der Bevölkerung der Rückzug empfohlen worden war, auf 20 Kilometer ausgeweitet.[14][15] Einer Stellungnahme der Regierung zufolge wurde das Containment nicht beschädigt, die Strahlungswerte am Werkstor sollten 70-fach über den Normalwerten liegen.[16][17] Bei der Explosion handelte es sich um eine Verpuffung von Wasserstoff zwischen Reaktorhülle und Reaktor. Nach Meinung von Fachleuten kann dieser nur durch die Reaktion von sehr heißem Wasserdampf mit freiliegenden Zirkonium-Brennelementhülsen entstanden sein.[18] Durch die Explosion wurden vier Arbeiter vor Ort verletzt, drei weitere Arbeiter kamen in anderen Vorfällen zu Verletzungen. Zudem wurde ein Arbeiter einer erhöhten Strahlungsdosis ausgesetzt.[19]

In Fukushima blies zum Explosionszeitpunkt ein Westwind von etwa 15 km/h; der Wetterbericht prognostiziert, dass dieser Wind bis einschließlich Montag 14. März gleichbleibend anhält.[20] Eventuell freigesetzte radioaktive Partikel würden daher zunächst auf das Meer hinausgetrieben. Die japanischen Behörden vermuten seit circa 17:00 Uhr MEZ aufgrund stark erhöhter Iod– und Caesiumwerte eine partielle Kernschmelze, die japanische Tageszeitung Asahi Shimbun berichtete von partiell freiliegenden Brennstäben.[21] Seit 20:20 Uhr Ortszeit (12:20 MEZ) wird Meerwasser zur Abkühlung mit Borsäure als Neutronenfänger in das Containment gepumpt, die Behörden bereiten auch die Verteilung von Iod-Tabletten vor.[6][22] Das Auffüllen des Containments soll etwa zehn Tage in Anspruch nehmen, manche Quellen sprechen auch von zwei Tagen.[22][23] Der Vorfall wurde von der Japanischen Atomaufsichtsbehörde bisher als INES 4 (Unfall) von max. 7 eingestuft.[24][25] Premierminister Naoto Kan flog mit einem Hubschrauber zur Anlage und forderte dort einen Leiter von TEPCO auf, die umliegende Bevölkerung zu unterstützen.[26]

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO/IAEA) teilte am 12. März gegen 21 Uhr (MEZ) mit, dass bislang etwa 170.000 Anwohner innerhalb des 20-km-Radius evakuiert wurden und dass die Evakuierungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen seien.[27] Zum Evakuierungsradius gehört noch nicht die 25 km nördlich gelegene Stadt Minamisōma. Gegen 22 Uhr (MEZ) gab die Japanische Atomaufsichtsbehörde bekannt, dass die Notkühlung im Block 3 nicht mehr funktionsfähig wäre und dringend eine Methode zur Bereitstellung von Kühlwasser gefunden werden müsse.[28] Kabinettssekretär Yukio Edano sagte, offizielle Stellen handelten nun aufgrund der Annahme, dass eine Kernschmelze in Block 3 im Gang sein könnte und dass es sehr wahrscheinlich sei, dass in Block 1 eine Kernschmelze in Gang sei.[29] Am 13. März 2011 bestätigte der Betreiber TEPCO gegen 12 Uhr Ortszeit (4 Uhr MEZ), dass auch in Block 3 die Drucksicherheitsventile geöffnet wurden, um Dampf abzulassen, und dass unmittelbar danach das Containment mit einer wässrigen Lösung von Borsäure geflutet wurde.[30] Die Brennelemente sind durch die Salzwasserzufuhr inzwischen wieder unter Wasser. Es könne allerdings sein, dass sich dadurch Wasserstoff unter dem Dach von Block 3 angesammelt habe. Sollte es wie beim Reaktor Nummer Eins zur Explosion kommen, könne der Reaktor dem widerstehen. Es gebe keine Notwendigkeit neuer Evakuierungsmaßnahmen.[31]


[1] https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/erdbeben_in_japan_regierung_ruft_atomaren_notstand_aus/

[2] ebenda

[3] u.a. https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,750668,00.html

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Plutonium#Toxizit.C3.A4t

[5] https://www.seilnacht.com/Lexikon/94Pluton.html

[6] https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,750472,00.html

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_I

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Mega-Erdbeben in Japan – Probleme bei den AKWs

Mega-Erdbeben in Japan – Probleme bei den AKWs

Als größte Gefahr kristallisiert sich die Störung in Fukushima I (=Daiichi) heraus. Nach dem Erdbeben in Japan läuft das Notkühlsystem des Atomkraftwerks Fukushima nach japanischen Informationen nur noch im Batteriebetrieb. Das Kühlwasser sei abgesunken – die Brennstäbe zum Teil sichtbar. Die Batterien lieferten nur noch Energie für wenige Stunden, erklärte die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln unter Verweis auf japanische Angaben.[1] Fukushima I (=Daiichi) besteht aus sechs Siedewasser-Reaktor-Blöcken. Ob nur einer der Blöcke oder alles sechs betroffen sind, ist bisher völlig unklar. Bei weiteren Problemen mit der Kühlwasserversorgung droht eine Kernschmelze!

Stunden nach dem schweren Erdbeben in Japan ist die Lage auch bezüglich Schäden in Atomkraftwerken noch völlig unübersichtlich. Zwar unterliegen die Bauvorschriften vor japanische AKWs strengsten Bestimmung in Punkto Erdbebenschutz, sie sind jedoch maximal nur für ein Beben der Stärke 7,75, in besonders gefährdeten Regionen für Beben bis 8,25 auf der Richter-Skala ausgelegt. Das Beben vom 11.3.2011 hatte eine allerdings Stärke von 8,8 bis 8,9.[2]

Der japanische Regierungschef Naoto Kan hatte nach dem verheerenden Erdbeben Atomalarm ausgerufen. Angeblich „seien jedoch keine radioaktiven Lecks in oder in der Nähe von Atomkraftwerken festgestellt worden, hieß es zunächst. Der Regierungschef habe den atomaren Notfall deswegen ausgerufen, damit die Behörden leicht Notfallmaßnahmen ergreifen können“, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.[3]

Die FAZ meldet: Fünf (??) Reaktoren in der am schwersten betroffenen Region im Nordosten der Hauptinsel Honshu wurden automatisch heruntergefahren. [Anm. der Red.: Hier gibt es 14 Reaktoren!] Das Atomkraftwerk Onagawa besteht aus drei Reaktoren, die von 1984 bis 2002 an der Ostküste von Honshu gebaut wurden. Dabei handelt es sich um Siedewasserreaktoren. In Onagawa kam es in der Vergangenheit mehrmals zu Störfällen. … Die Anlagen könnten von der Flutwelle und den Erschütterungen erheblich beeinträchtigt worden sein.[4]

WELT u.a. melden: Es sind im Nordosten Japans mindestens vier Kernkraftwerke beschädigt worden. Mehrere Tausend Anwohner eines der beiden Atomkraftwerkblöcke in der Provinz Fukushima wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Grund sei die Angst vor einem möglichen radioaktiven Leck, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press unter Berufung auf lokale Behörden. In mindestens einem Reaktor ist die Kühlung ausgefallen. Wegen des Bebens hatten sich nach Angaben der Regierung in Tokio elf japanische Atomkraftwerke automatisch abgeschaltet. Am Atomkraftwerk Onagawa brach ein Feuer in einem Turbinengebäude aus, konnte aber inzwischen gelöscht werden.[5] [6] [7]

Das Risiko einer Kernschmelze mit anschließender radioaktiver Verstrahlung ist durch die automatische Schnellabschaltung von Reaktoren NICHT gelöst. Aufgrund der unkontrolliert freigesetzten Nachwärme besteht weiterhin eine hohe Gefahr,vor allem, wenn die Kühlung, wie offenbar zumindest in einem Block in der Region  Fukushima geschehen, ausfällt. Das wesentlich geringere Erdbeben der Stärke 6,6 im Juli 2007 in der Provinz Niigata führte in der aus sieben Reaktoren bestehenden weltgrößten Atomanlage Kashiwazaki-Kariwa zu etwa 50 technische Defekte registriert, die der Betreiber zunächst nicht gemeldet hatte.[8]

 

Als besonderes Problem könnte sich zeigen, dass alle betroffenen Reaktoren als Siedewasserreaktoren ausgeführt sind. Bei diesen wird der Wasserdampf zum Antrieb der Turbinen direkt radioaktiv erhitzt, während bei den in Europa gebräuchlicheren Druckwasserreaktoren ein weiterer Kreislauf dazwischen geschaltet ist, über den per Wärmetauscher der Wasserdampf erzeugt wird. Der radioaktive Kreislauf ist somit nicht auf den Sicherheitsbehälter beschränkt. Somit die die Gefahr einer Freisetzung von Radioaktivität bei Siedewasserreaktoren wesentlich höher!

 

 

Die japanischen AKWs in der am stärksten betroffenen Region:

Fukushima Daiichi: sechs Blöcke, Siedewasser-Reaktoren, ab Baujahr 1971

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daiichi

 

Fukushima Daini: vier Blöcke, Siedewasser-Reaktoren, ab Baujahr 1982

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daini

 

Onagawa: drei Blöcke, Siedewasser-Reaktoren, ab Baujahr 1984

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Onagawa

 

Tōkai: ein Block, Siedewasser, Baujahr 1966

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_T%C5%8Dkai

 

 

 

 

 

 

 


[1] https://www.tagesschau.de/ausland/erdbebenjapan110.html

[2] https://www.tagesschau.de/ausland/akwsicherheit104.html

[3] https://www.focus.de/panorama/welt/erdbeben-angst-vor-radioaktivem-leck-anwohner-auf-flucht_aid_607508.html

[4] https://www.faz.net/s/RubB08CD9E6B08746679EDCF370F87A4512/Doc~EE85CC7C71A9A4FCDA6B01FBC0B97E9AA~ATpl~Ecommon~Scontent.html

[5] Quelle: u.a. https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article12776626/Japanische-Regierung-ruft-atomaren-Notstand-aus.html

[6] https://www.focus.de/panorama/welt/erdbeben-angst-vor-radioaktivem-leck-anwohner-auf-flucht_aid_607508.html

[7] https://www.sueddeutsche.de/panorama/erdbeben-zehn-meter-tsunami-trifft-japans-kueste-1.1070525

[8] https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article12776626/Japanische-Regierung-ruft-atomaren-Notstand-aus.html