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Akualisierungen des Buches Atom und Politik Hintergründe

Neues von ITER

Anbei die Übersetzung der Zusammenfassung eines Berichtes zum Thema ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor).

Autoren sind

  • Alain NICOLAS, Conseiller Régional (vergleichbar mit einem Parlamentarier eines Bundeslandes, Handy +33-6 68 86 22 23) der Region PACA (Provence-Alpes-Côte d’Azur, SO-Frankreich)
  • Thiéry PIERRE, Plasma-Physiker und Direktor Forschung am CNRS (vergleichbar mit Max-Planck-Institut)

Der vorliegende Bericht berücksichtigt die aktuellsten wissenschaftlichen und technischen Aspekte zum Projekt ITER, aber auch finanzielle Aspekte und solche der Zeitplanung, welche in den letzten Monaten die Gruppe der Grünen (EELV = Europe Ecologie Les Verts) gegenüber dem Vorsitzenden des Conseil Régional PACA (WR: vergleichbar mit dem Parlament eines Bundeslandes, wahrscheinlich weniger einflussreich) stark betont hat.

Das Neue besteht in der Feststellung, dass nicht mehr ernsthaft davon ausgegangen werden kann, vor allem hinsichtlich der Kosten, dass das Projekt kurz-, mittel- oder langfristig mit Gewissheit erfolgreich sein wird.

Wir müssen also in unsere Überlegungen zur Energiewende einbeziehen, dass die Produktion von Elektrizität durch Kernfusion, Ziel des ITER-Programmes, einfach nur noch innerhalb eines Zeithorizontes 2100-2130 möglich ist.

Die große festgestellte Verspätung beim Projektfortschritt hat eine Änderung des Forschungsprogrammes selbst zur Folge, und dies wegen des fundamentalen Grundes, dass einer der „Brennstoffe“ von ITER, das radioaktive Gas Tritium, zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Reaktors, in dem das Tritium in situ hergestellt werden soll, weitgehend verschwunden sein wird, was die Herstellung dieser Elemente innerhalb des bewilligten Zeitraumes des ursprünglichen Projektes deutlich erschwert.

Diese Situation verändert das Projekt in seiner Gesamtheit. Diese Veränderung des Projektes gegenüber dem, welches der Region PACA im Zeitraum 2003-2005 vorgestellt worden war, macht eine objektive und ehrliche Neudefinition der Projektziele durch ITER-Organization notwendig, damit die Region PACA alle Informationen erhält, die erlauben, das aktualisierte Projekt eventuell weiter zu unterstützen.

Die Anhörung der Experten hat erlaubt zwei Folgen eines möglichen Halberfolges oder Halbscheiterns des Projektes herauszuarbeiten:

  • Wenn die Entwicklung eines Fusionsreaktors in Cadarache sich letztendlich als unmöglich herausstellt, könnte ein Ersatzszenario seine Umwandlung in einen experimentellen Mischreaktor Kernspaltung/Kernfusion sein, oder in einen Brüterreaktor, d.h. einen Reaktor, der Kernbrennstoff (Plutonium) für die klassischen, auf Kernspaltung beruhenden Kraftwerke herstellt. Dies ist die Position von Hr. Paul-Henri Rebut, dem ersten Planer von ITER. Diese Lösung ist nicht akzeptabel.
  • Es wird unvermeidbar, insbesondere mit Hinblick auf eine schnelle Klimaerwärmung und verschiedene andere Dringlichkeiten, die überall in der Welt auftauchen, schnell die Voraussetzungen zu schaffen, in Cadarache ehrgeizige Forschung alternativer Energien zu betreiben, vor allem die Sonnenenergie betreffend.

Anbei das französische Original für diejenigen, die ihre Französischkenntnisse auffrischen wollen 😉

Le présent rapport tient compte des aspects scientifiques et techniques les plus récents qui concernent le projet ITER mais aussi des aspects financiers et de calendrier, soulignés fortement ces derniers mois par le groupe EELV au Président du CR PACA.

Sa nouveauté tient dans la constatation qu’il n’est plus sérieusement envisageable, notamment en termes de coûts, de ne pas obtenir davantage d’assurances à court, moyen et long terme sur la réussite de ce projet.

Nous devons donc intégrer dans nos réflexions sur la transition énergétique que la production d’une électricité de fusion, but du programme ITER, n’est simplement que du domaine du possible à l’horizon 2100‐2130.

Le grand retard constaté dans l’avancement du projet a pour conséquence une modification du programme de recherche lui‐même pour la raison fondamentale que l’un des « carburants » d’ITER, le gaz radioactif Tritium, aura largement disparu à la date de mise au point finale des éléments du réacteur destinés à fabriquer le tritium in situ, rendant particulièrement difficile une mise au point de ces éléments dans les temps impartis dans le projet initial.

Cette situation modifie le projet dans son ensemble. Cette modification par rapport au projet présenté en 2003‐2005 à la Région PACA nécessite une redéfinition objective et sincère par ITER‐Organization des objectifs du projet afin que la Région PACA dispose de l’intégralité des informations lui permettant de continuer à soutenir éventuellement le projet actualisé.

L’audition des experts a permis de mettre en évidence deux conséquences dans l’hypothèse d’un demi‐succès ou d’un demi‐échec du projet :

  • si la mise au point d’un réacteur de fusion à Cadarache s’avère, in fine, impossible, un des scénarios de substitution est la transformation en un réacteur expérimental hybride de fission/fusion, ou en un réacteur‐breeder c’est à dire fabricant du combustible nucléaire (Plutonium) pour les centrales à fission classiques. C’est la position de Monsieur Paul‐Henri Rebut, le premier concepteur d’ITER. Cette solution est inacceptable.
  • il devient inévitable, vu le contexte, notamment,  du réchauffement climatique rapide et des urgences diverses qui surgissent partout dans le monde, de mettre rapidement en place à Cadarache les conditions de recherches ambitieuses sur les énergies alternatives, et principalement sur le solaire.

 

Amitiés,

Wolfgang

 

Wolfgang ROSENBERG

Comener – EELV Paris 10

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Akualisierungen des Buches Hintergründe

Neues vom Fusionsreaktor ITER in Caderache / Südfrankreich

21 November 2006 Frankreich/Paris: Im Élysée-Palast unterzeichnen die acht Partner EU, USA, Japan, China, Indien, Russland, Südkorea und Schweiz des »International Thermonuclear Experimental Reactor« (ITER)-Forschungsprojekts nach langem Tauziehen den Vertrag zum Bau eines Versuchsreaktors. Sie gehen 2006 von Baukosten in Höhe von 5 Milliarden Euro und einer Bauzeit von zehn Jahren aus. Der Fusionsversuchsreaktor wird im südfranzösischen Cadarache gebaut. In Japan sollte ursprünglich der ITER gebaut werden, Frankreich setzte sich aber durch, dafür hat Japan einen erheblich geringeren Beitrag zu zahlen. Die zusätzlichen Kosten übernahm die EU.
Der dann verabschiedete Finanzierungs- und Zeitplan zeigte jedoch, dass diese Zahlen weit an der Realität vorbeizielen. Die Baukosten werden inzwischen auf 17 Milliarden Euro geschätzt. Das betrifft vor allem die EU, die 45 Prozent der Kosten für den ITER zu tragen hat und 2011 noch damit beschäftigt ist, die letzte Kostenerhöhung von 2,7 auf 7,2 Milliarden Euro zu verdauen. Deutschland ist immer mit 20 Prozent daran beteiligt, wie bei allen Zahlungen im EU-Bereich.
Natürlich hat die französische Anti-Atom-Bewegung auch vor Ort schon eine größere Demo mit rund 5.000 Menschen durchgeführt. Die Mobilisierung gegen das ITER Projekt geht weiter.
Im Jahre 2012/2013 ist am ITER-Standort in Cadarache eine zunehmende Bautätigkeit zu beobachten. So ist in Frankreich am 17.01.2013 das Kontroll- und Verwaltungszentrum des Kernfusionsreaktors ITER in Betrieb genommen worden. An der Feier im südfranzösischen Saint-Paul-lès-Durance nahmen EU-Energiekommissar Günther Oettinger und die französische Forschungsministerin Geneviève Fioraso teil. Die ersten Forschungsarbeiten werden aber voraussichtlich erst in sieben Jahren beginnen.
Um den 20.03.2013 wird ein Vertrag geschlossen. Südkorea stellt das Hitzeschildsystem für ITER her.
Das europäische Gemeinschaftsunternehmen Fusion for Energy (F4E) in Barcelona (Spanien) hat der spanischen GTD Sistemas de Información SA (GTD) den Auftrag am 06.05.2013 erteilt, Dienstleistungen in den Bereichen Software sowie Steuerung und Überwachung der ITER-Hauptanlagen zu liefern. Zu den Dienstleistungen im Rahmen des Auftrages gehören laut F4E die Umsetzung des Datenaustauschs zwischen den ITER-Systemen und die Entwicklung von Software für die Plasma-Diagnostik. Das Auftragsvolumen beträgt EUR 5 Mio. über vier Jahre.
Das in China hergestellte Platzhalterkabel für die Poloidalfeldspule Nr. 5 (PF5) des ITER hat am 12.06.2013 das Baugelände im südfranzösischen Cadarache erreicht.
Wesentliche Fortschritte seien bei der Herstellung von ITER-Magneten festzustellen. So hätten die sechs auftragsgebenden Mitglieder bisher über 420 t Niob-Zinn-Stränge (Nb3Sn) für die Toroidalfeldleiter hergestellt, was 90% der benötigten Menge entspreche. China, Europa und Russland hätten zudem bisher 133 t Niob-Titan-Stränge (NbTi) für die Poloidalfeldleiter produziert, 51% des projektierten Bedarfs.
Trotzdem: Der Beginn der Experimente musste von 2016 auf November 2019 verschoben werden, erst 2027 wird die Beladung mit Deuterium und Tritium erfolgen. Mit einer Fertigstellung des Fusionsmonster kann nicht vor 2060 gerechnet werden. Das bedeutet unbekannte Mehrkosten in Milliardenhöhe.

Und der ITER Nachfolger heißt:
DEMO (DEMOnstration Power Plant) ist ein geplanter (aber noch nicht beschlossener) Kernfusionsreaktor, der nach erfolgreichem Abschluss von ITER als erstes Fusionskraftwerk elektrischen Strom erzeugen soll. Ziel ist die Einspeisung von Strom durch den DEMO-Reaktor in das Netz.
Bis etwa 2050 werden die Umstellungen des Energiesystems in der EU auf alternative Energien jedoch wahrscheinlich bereits so weit fortgeschritten sein, dass die Fusionsenergie nicht den dann notwendigen Nachhaltigkeitskriterien gerecht wird. Da sich ein Fusionskraftwerk nur rechnet – falls überhaupt –, wenn es kontinuierlich rund um die Uhr Strom produziert (Grundlast), passt es nicht zu den fluktuierenden, eher demokratisch strukturierten dezentralen, erneuerbaren Energien. Man kann die Fusionsanlage nicht nach Bedarf hoch- und runterfahren, um Schwankungen auszugleichen.

Stand: 09.07.2013

Dieter Kaufmann, Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main